Menü Schließen

Das Metaversum: Nur Zeitvertreib oder Zuhause für den digitalen Zwilling? (Serie)

Metaversum IV: Arbeiten in Virtuellen Welten

Seit vielen Jahren entwickeln Produktdesigner und -konstrukteure Produkte dreidimensional mit Hilfe von 3D-CAD- und Modelliersystemen. Doch ihr Arbeitsplatz ist nach wie vor überwiegend zweidimensional – Maus, Tastatur und Bildschirm. Zum Glück ist das Gehirn in der Lage das zweidimensionale Bild dreidimensional zu interpretieren, und eine 3D-Maus gibt ein gewisses Raumgefühl dazu. Trotzdem haben sich nicht einmal 3D-Bildschirme mit Polarisations- oder Shutterbrillen im CAD-Bereich durchgesetzt.

Siemens Process Simulate und Nvidia Omniverse
Process Simulate verbindet sich mit (rechts), um eine realistische Simulationswelt zu erschaffen.

Das ist meist kein Problem, allerdings gibt die Bildschirmansicht kein Gefühl für Größenverhältnisse und oft auch nicht für Perspektiven. Das Aussehen eines Produkts in der meist künstlich verzerrten CAD-Systemdarstellung zu beurteilen, mag an einem eher kubischen Objekt noch gelingen, eine Autokarosserie oder eine kunstvoll geformte Parfümflasche wird der Designer immer in 3D sehen wollen, um die Form zu beurteilen. Hier bieten sich VR- oder AR-System an, die das virtuelle Produkt im dreidimensionalen Raum erlebbar machen.

Noch interessanter wird es, wenn das virtuelle Produkt in dieser virtuellen Umgebung auch realistisch reagiert, sich bedienen lässt und „richtig“ funktioniert. Dies wird in Verbindung mit technischen Simulationssystemen schon heute genutzt, um beispielsweise die Bedienung und sogar das Fahrverhalten von Autos virtuell zu testen.

Und da sind wir sehr schnell bei zwei Hype-Begriffen: und Digitaler Zwilling. Der digitale Zwilling enthält alle Informationen, die das Metaversum benötigt, um das Produkt in die virtuelle Welt zu integrieren. Unter anderem lassen sich Maschinensteuerungen simulieren oder als echte Hardware in digitale Simulationen einbinden, um eine Maschine in der virtuellen Umgebung laufen zu lassen. Die virtuelle Inbetriebnahme ist eine immer öfter genutzte Technologie, um vor dem Aufbau komplexer Anlagen das Zusammenspiel der Komponenten, Sensoren und Aktoren mit der Steuerung zu testen.

Eine virtuelle Inbetriebnahme in einem würde es dann dem Kunden oder Kollegen an anderen Standorten erlauben, als Avatar bei der virtuellen Inbetriebnahme dabei zu sein. Denkbar sind auch Konfigurationssessions, bei der Vertrieb, Konstruktion und Kunde gemeinsam eine Maschine aus Komponenten zusammenstellen und im Verbund laufen lassen. Schon heute konfigurieren Interessenten ihr Auto im Internet – warum nicht in einem Metaverse, wo ihnen ein Verkäufer-Avatar zur Beratung zur Seite stehen und vielleicht sogar eine virtuelle Probefahrt möglich ist.

BMW Fabrik im Metaverse
setzt mit Nvidia auf die viretuelle Fabrikplanung (Bild: BMW Group).

Nicht zuletzt ist ein Metaverse die ideale Trainings- und Schulungsumgebung. Heute trainieren Astronauten in riesigen Wassertanks ihre Außenmissionen, weil nur unter Wasser die Schwerkraft ausgeschaltet werden kann. Dazu baut die NASA ganze Teile einer Weltraumstation im Tank nach. Wieviel einfacher wäre es, diese Trainings in einer virtuellen Welt stattfinden zu lassen? Übertragen auf „irdische“ Szenarien können Servicetechniker an einem realistischen 3D-Modell einen komplexen Umbau durchspielen. So lässt sich testen, welche Baugruppen abgebaut werden müssen, um an die gewünschte Stelle zu kommen. Welche Geräte braucht man dazu, reicht die Deckenhöhe für den benötigten Kran, passt die neue Baugruppe an die gewünschte Stelle? All diese Themen lassen sich testen, bevor die Maschine abgestellt und zerlegt wird.

Was passiert eigentlich, wenn ich die Taktzahl einer Maschine um 20 Prozent erhöhe? Im Metaverse dürfen endlich einmal nach Herzenslust Knöpfchen gedrückt und Regler gedreht werden. Die realistische sorgt dafür, dass die virtuelle Maschine wie ihr echtes Pendant reagiert und beispielsweise der erhöhte Takt für einen Stau im Durchlauf der Anlage sorgt. Erfahrene Anlagenmechaniker können mit Technikern vor Ort zusammenarbeiten, ohne den Firmensitz verlassen zu müssen – so lassen sich Reisezeiten reduzieren und erfahrene Mitarbeiter gezielter und effizienter einsetzen.

In der Medizin lassen sich Operationen am virtuellen Patienten, der individuell aus einer 3D-Computertomografie besteht, durchspielen. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt, das Metaverse ist sozusagen die natürliche Umgebung für digitale Zwillinge. Im geschäftlichen Umfeld wird man auch nicht unendlich viel Zeit hinter der VR-Brille und in der Simulation verbringen, so dass sich die körperlichen und sozialen Auswirkungen in Grenzen halten lassen.

 

Alle Teile:

Metaversum I: Eine Wette auf die Zukunft mit realem Unterbau

Metaversum II: Was ist denn überhaupt ein Metaversum?

Metaversum III: Wo stehen wir heute – und wozu stehen wir da?

Metaversum IV: Arbeiten in Virtuellen Welten

Metaversum V: Fazit

Sei der Erste, der diesen Beitrag teilt

Ähnliche Themen