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Physik unterhaltsam: Schneller als der Wind mit dem Wind?

Heute soll es einmal nicht um Produkte gehen, sondern um und wie verblüffend und sein können. Ich finde es immer sehr schade, wenn Kinder und Jugendliche die MINT-Fächer langweilig finden – wo Technik doch so aufregend sein kann. Vor einigen Tagen schlossen Youtuber Derek Muller und UCLA-Physikprofessor Alexander Kusenko eine 10.000 Dollar-Wette ab, die eine interessante und verblüffende Frage betraf: Kann ein windgetriebenes Fahrzeug schneller als der Wind fahren – wenn es mit dem Wind segelt? Für mich als Segler eine sehr interessantes Gedankenexperiment – das in den Videos sehr real gelöst wird.

Weltrekord für windgetriebene Fahrzeuge
Das Fahrzeug Blackbird kann 2,8mal schneller fahren als sein eigener Rückenwind (Alle Bilder Screenshots aus Veritassium).

Segelboote wie die großen America's Cupper segeln schon seit einiger Zeit schneller als der Wind, Foilende Boote – die sich auf Kufen aus dem Wasser erheben – erreichen mehr als das 2,5-fache der Windgeschwindigkeit. Eissegler erreichen weit mehr als dieses Verhältnis. Wie funktioniert das? Segelboote segeln mit dem scheinbaren Wind, der sich aus dem wahren (tatsächlichen) Wind und dem Fahrtwind zusammensetzt. Segelt man nun in einem Winkel gegen den Wind, summiert sich der Fahrtwind zum wahren Wind und auf dem Boot herrscht stärkerer Wind als tatsächlich vorhanden ist. Mit wachsender Geschwindigkeit wird der Fahrtwind stärker als der wahre Wind – das Boot segelt schneller als der Wind.

Segelt man genau mit dem Wind, reduziert der Fahrtwind den wahren Wind, so dass bei wachsender Geschwindigkeit der Wind auf dem Boot immer geringer wird, bis sich Fahrtwind und wahrer Wind genau aufheben. Die US-Amerikaner Rick Cavallero und John Borton bauten mit dem Blackbird ein Fahrzeug, das dieses bisher anerkannte physikalische Verhalten überwindet und schneller als der Rückenwind fährt.

Physik live: Derek Muller fährt Blackbird
Derek Muller testet Blackbird selbst.

Das filigrane Fahrzeug mit seinem riesigen Propeller ist mit einer Kraftübertragung zwischen den Hinterrädern und dem Propeller ausgestattet. Anstatt mit dem Rotor die Räder anzutreiben – wie es intuitiv richtig erscheint – passiert beim Blackbird das Gegenteil: die Räder treiben den Propeller und dieser treibt das Gefährt wie bei einem Propellerflugzeug über die Windgeschwindigkeit hinaus.

Blackbird schneller als der Wind
Der Moment der Wahrheit: Das Telltale auf Blackbird zeigt Fahrtwind, der stationäre Windsack Rückenwind.

Auch wenn Blackbird anerkannte Weltrekorde einfuhr und bis zur 2,8-fachen Windgeschwindigkeit erreichte, zweifelten viele daran, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Die Debatte kochte neu hoch, als der Technik-Youtuber Derek Muller Ende Mai in seinem weit verbreiteten Physik-Youtube-Kanal Veritasium über Blackbird berichtete. Physikprofessor Alexander Kusenko von der University of California in Los Angeles (UCLA) war sich sicher, dass Blackbird die Regeln der Physik verletzt und wettete 10.000 US-Dollar darauf.

Ende Juni wurde ein Vertrag über die Wette unterzeichnet und Muller schaffte es, die Wette zu gewinnen. Kusenko erläuterte ausführlich, dass ein Fahrzeug zwar schneller als der Wind fahren kann, allerdings nur, wenn der Wind nachlässt und das Fahrzeug durch Trägheit langsamer abbremst als der Wind schwächer wird. Zudem sei der Wind auf der Höhe des Windanzeigers (der im anzeigt, dass Blackbird schneller als der Wind ist) schwächer als der Wind oben und so werde der Anschein erweckt, dass der Wind von vorn kommt – was ja bedeuten würde, dass das Fahrzeug schneller als der Rückenwind ist. Er beweist dies auch eindrücklich mathematisch im Gespräch mit dem populären US-Physiker und Wissenschaftsjournalist Neil deGrasse Tyson und Wissenschaftsmoderator Bill Nye. Unter anderem ergäben die Gleichungen in dem Moment, wenn sich Rücken- und Fahrtwind aufheben, dass unendliche Kraft am Fahrzeug angreift – was physikalisch unmöglich ist.

Muller und Kusenko einigten sich, dass ein Modell des Fahrzeugs auf einem Laufband ein äquivalentes Modell des vom Rückenwind angeriebenen Blackbird ist. Da sich im Moment, in dem das Fahrzeug so schnell wie der Rückenwind ist, beide aufheben, ist dies vergleichbar mit der Windstille auf dem Laufband. In einem weiteren Video zeigt Muller, dass er tatsächlich recht hat.

Muller zeigt auch, wie die Physik hinter der Funktionsweise von Blackbird funktioniert – am Ende ist es eine Sache der Übersetzung zwischen Rad und Propeller. Und auch die Mathematik rückt Muller anschaulich zurecht.

Interessant ist das Video von Maker-Youtuberin Xyla Foxlin, die das Fahrzeug für das Sportlaufband baute. Es ist toll zu sehen, wie viel Spaß Technik und Wissenschaft machen können. Der typische iterative Entwicklungsprozess von Versuch und Irrtum wird exemplarisch gezeigt.

Gibt es solch tolle Kanäle auch in Deutsch? Und wenn ja, warum werden sie nicht viel mehr gefördert, um mehr Kindern und Jugendlichen die Naturwissenschaften näherzubringen? Wenn Sie empfehlenswerte Kanäle aus dem MINT-Bereich kennen, würde ich mich über einen Link dazu in den Kommentaren freuen.

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