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Dieselfahrverbote: Wo bleibt die Ingenieursehre?

Auf Spiegel Online findet sich ein lesenswerter Kommentar zu den angekündigten Fahrverboten für Dieselfahrzeuge in Stuttgart. Der Tenor: Die Politik hat es versäumt, die Autohersteller in ihre Schranken zu weisen, und nun werde die Stammtischfloskel wahr: „Und am Ende zahlt die Rechnung der einfache Bürger.“ Stimmt, die Politiker haben jahrzehntelang weggesehen – aber was soll man denn von Autoherstellern halten, die ihre Kunden seit Jahren und Jahrzehnten betrügen und nun ins offene Messer der Fahrverbote laufen lassen? Und was von deren Konstrukteuren? Wo bleibt denn da die Ingenieursehre?

Der Kunde ist das Opfer - aber warum werden Ingenieure zu Tätern? (Bild Harry Hautumm / pixelio.de)
Der Kunde ist das Opfer – aber warum werden Ingenieure zu Tätern? (Bild Harry Hautumm / pixelio.de)

Man darf mir gerne Naivität unterstellen, schließlich habe ich  Maschinenbau „nur“ studiert und nie als Ingenieur gearbeitet. Aber als Technikbegeisterter, Tüftler, Bastler, Erfinder – wie immer man den Konstrukteur auch umschreiben möchte – muss es doch das höchste Bestreben sein, eine optimale Konstruktion abzuliefern, die möglichst Zuverlässig, effizient und eben auch sauber läuft. Seit wann hört das Ingenieursdenken an der Auspuffblende auf?

Die Verbrauchswerte, die die Autohersteller nennen, sind im realen Fahrbetrieb nicht zu erreichen – und das ist so, seit diese Werte veröffentlicht werden. Der Schadstoffausstoß ist mehr oder weniger proportional zu diesen Werten, also stimmten auch diese Werte nie – und die Politik schaute immer zu, was spätestens in dem Moment problematisch wurde, als die Schadstoffwerte zum Berechnen der KFZ-Steuer relevant wurden.

Was ist das denn für ein Verhältnis zum Kunden? Ich gehe davon aus, dass die Autohersteller seit Jahren wissen, dass die geforderten Schadstoffwerte mit Dieselmotoren nicht zu erreichen sind – schließlich hat jeder Hersteller eine Motorenentwicklung, in der viele schlaue Köpfe sitzen. Zu einem Geschäftsgebaren, das den Kunden ernstnimmt, hätte dann doch gehört, frühzeitig aus dieser technologischen Sackgasse auszusteigen oder Technologien einzuführen, die die Schadstoffe zuverlässig reduzieren. Dass das geht, zeigt die Tatsache, dass PKW inzwischen offensichtlich bei manchen Schadstoffen doppelt so hohe Emissionen verursachen wie LKW.

Wir reden ja nicht von kleinen Abweichungen, die mit irgendeiner Serienstreuung zu rechtfertigen wären. Die Auto, Motor & Sport berichtet von Fahrversuchen mit einem Renault Capture, der den NOx-Grenzwert um das 16,7-fache übersteigt. Wie kann man sein Geschäftsmodell darauf begründen, dass man wissentlich und andauernd Gesetze verletzt und Kunden betrügt – und dann noch glauben, dass man damit durchkommt?

Wie gesagt, vielleicht bin ich naiv, aber ich erwarte von verantwortungsbewussten Konstrukteuren, dass sie über ihren Tellerrand hinaussehen und das große Ganze im Blick behalten. Und das große Ganze bedeutet in diesem Fall: „Die Schadstoffwerte in den Städten werden überwacht. Irgendwann wird man feststellen, dass diese Werte von unseren Autos stammen und dann wird es Verbote geben. Diese Verbote treffen unsere Kunden.“ Diese Erwartung schließt natürlich Konzernlenker ein. Wie kann es sein, dass hochkarätige Konzernlenker sich intensiv über Spaltmaße und klappernde Lenkradhöhenverstellungen echauffieren können, während aus dem Auspuff Emissionen strömen, die alle Grenzwerte um das Mehrfache übertreffen – und diese technikverliebten Konzernlenker wissen angeblich von nichts?

Kunden, die im guten Glauben an das High-Tech-Know-how der Hersteller erst vor zwei, drei Jahren einen neuen „Clean Diesel“ gekauft haben, dürfen zukünftig nicht mehr in Innenstädte einfahren. Da sollte man sich nicht wundern, wenn diese Kunden erst einmal gar nichts mehr glauben und sich anderen Technologien zuwenden oder gleich aufs Carsharing ausweichen.

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