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Interview Quanos Solutions: „Paradigmenwechsel im Servicebereich“

Der Digital Twin ist im Bereich der Produktentwicklung in aller Munde. Doch die digitale Entsprechung eines Produkts auf Basis von Engineeringdaten ist nur ein Aspekt des Digital Twin – ein anderer ist der Digital Information Twin, der Dokumentations-, - und Ersatzteildaten enthält. ist nach dem Zusammenschluss von und zur Quanos Service Solutions als deren Geschäftsführer und CTO verantwortlich für die Zusammenführung der beiden -Lösungsanbieter. Im erläutert er seine Vision vom (SIS).

Im Bereich der Dokumentations-, Service- und Ersatzteilkatalogsoftware tut sich was: Die Firmen Schema, TID und Docware haben sich zur neuen Firma Quanos Solutions zusammengeschlossen und wollen gemeinsam den Markt der Digital Information Twin aufmischen. Das neue Unternehmen wurde gestern auf der Tekom-Jahrestagung der Öffentlichkeit vorgestellt. Ich habe in den letzten Monaten eine Anzahl von Texten für den -Launch erstellt, darunter Interviews mit den führenden Köpfen der bisherigen und der neuen Firma. Sie zeigen, wie aus ganz unterschiedlichen Ansätzen und Produkten etwas ganz Neues, Innovatives entstehen kann.

Rafi Boudjakdjian, Geschäftsführer und CTO der Quanos Service Solutions GmbH
Rafi Boudjakdjian, Geschäftsführer und CTO der Quanos Service Solutions GmbH (Bild: Quanos).

Herr Boudjakdjian, was sind die Herausforderungen, vor denen Firmen im After-Sales-Markt stehen?

Wenn ein Ersatzteil falsch geliefert wird, ist nach der Rücksendung und dem Versand des richtigen Teils die Gewinnmarge oft schon aufgebraucht. Die Firmen müssen sich also darauf verlassen können, dass ihre Stücklisten stimmen und aktuell sind, damit sie das richtige Teil identifizieren können. Erschwert wird das zum einen, wenn die Produkte im Lauf der Produktionszeit verändert haben oder im Zuge einer Wartung verändert wurden. Zum anderen führt die immer stärker ausgeprägte Individualisierung von Produkten dazu, dass die Gefahr steigt, das falsche Ersatzteil zu verschicken.

Für diese Herausforderungen gibt es Softwarelösungen, aber deren Einführung – oder genauer die Aufbereitung der Daten auf eine Qualität, die gute Ergebnisse liefert – ist alles andere als trivial. Der Ersatzteilkatalog, der auf Basis der Daten aus der Konstruktion und dem ERP-System entsteht, muss ebenso detailliert wie einfach zu bedienen sein und dem Kunden oder Servicetechniker eine sichere Identifizierung der benötigten Teile ermöglichen.

Zudem ist der Ersatzteilkatalog nur ein Aspekt der Informationen, die der Anwender benötigt. Neben den reinen Teiledaten und der Stückliste werden Ein- und Ausbauanleitungen benötigt, Betriebshandbücher und eventuell Schulungsvideos oder weiteres Informationsmaterial. Ich spreche deshalb gerne vom Service Information System.

Woher kommen die Daten, auf deren Basis solch ein Service Information System aufgebaut wird? Reichen 3D-CAD-Modelle, wie sie oft im PLM-System gespeichert sind?

Nein, weil sie nicht vollständig sind. Im 3D-Modell fehlen beispielsweise Ölfüllungen, Schraubensicherungen oder andere Zusatzstoffe, zudem ist die Hierarchie des CAD-Modells meist nicht für die direkte Nutzung im Ersatzteilkatalog geeignet. Ein gutes Beispiel ist ein Motordichtsatz für einen Verbrennungsmotor: In ihm sind Dichtungen aus den unterschiedlichsten technischen Baugruppen von der Einspritzung über Zylinderkopf, Motorblock und Aggregate bis zum Abgassystem enthalten.

Deshalb nutzen wir meist eine Schnittstelle zum ERP-System, wo die passenden Stücklisten vorhanden sind. Zudem finden sich im ERP weitere wichtige Informationen wie Preise und Lieferzeiten.

Weitere Informationen kommen aus dem Dokumentationssystem, was der Hintergrund des Zusammenschlusses mit der Schema GmbH ist. Damit können wir eine Lösung bieten, die ganz zielgenau die benötigten Informationen, Hinweise und Anweisungen zu jedem Bauteil konsolidiert und dem Anwender präsentiert.

Wie sieht die Zukunft im Servicebereich aus?

Zielgenau, individuell und übersichtlich. Jeder kennt die Bedienungsanleitungen von Autos, in denen seitenweise verschiedene Motorvarianten präsentiert werden und man erst einmal die für das eigene Auto passenden Abschnitte heraussuchen muss. Unser Ziel ist es, alle Informationen zu einem Ersatzteil auf einer Seite anbieten zu können – und zwar genau auf das individuelle Produkt abgestimmt und in der gewünschten Sprache.

Mit den Werkzeugen, die wir unter dem Quanos-Dach zur Verfügung haben, können wir eine individuelle Stückliste erstellen und daraus ebenso passende Ersatzteilkataloge und Bedienungs- und Serviceanleitungen generieren. So entsteht eine komplette, umfassende Teilebeschreibung, der Digital Information Twin des Bauteils und der ganzen Maschine.

In der weiteren Zukunft kann ich mir Systeme vorstellen, die den Maschinenbestand des Anwenders genau kennen. Dann kann das Service Information System beispielsweise dem Anwender den Tipp geben, dass mehrere andere Maschinen das selbe Ersatzteil mit ähnlichen Betriebsstunden eingebaut haben und es sich lohnen könnte, gleich mehrere Teile zu kaufen.

Wir forschen an einer Möglichkeit, jedem Teil eine individuelle Nummer zu geben und die Teile dann einzeln im Raum verorten zu können. Das wäre beispielsweise interessant, wenn in der Stückliste sechs M6-Schrauben gelistet sind, aber eine ganz bestimmte davon mit Schraubensicherung eingeklebt werden muss. Da könnte das SIS den Monteur genau darauf hinweisen, welche Schraube das ist – idealerweise gleich am 3D-Modell.

Dazu ist aber eine komplette Digitalisierung die Grundvoraussetzung.

Das gilt in jedem Fall. Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel. Bisher versuchte man, die so kurz wie möglich zu halten und möglichst wenig Änderungen einzubringen. Wenn wir in Zukunft am 3D-Modell arbeiten und uns die langwierige Zeichnungsableitung sparen können, haben wir die Ressourcen, schon an der Datenquelle eine höhere Qualität zu erzeugen und damit viel Aufwand zu sparen.

In unseren Kundenprojekten erleben wir es oft, dass „nur“ ein Ersatzteilkatalogsystem eingeführt werden soll. Doch der Aufwand dafür wird oft unterschätzt, weil solch ein System alle „Sünden“ in der Datenbasis aufdeckt. Ein automatisierter Ersatzteilkatalog erfordert, dass die Datenqualität ebenso stimmt wie die Hierarchien und die Verknüpfungen der Daten – und auch die benötigten Sprachversionen vollständig vorhanden sind.

Steht diese Datenqualität, ergeben sich viele Vorteile. Ein Beispiel ist die Möglichkeit, dem Kunden auf Basis der Konfiguration seines Produkts automatisch Erweiterungen anbieten zu können. Und nicht zuletzt steigen die Umsätze, die sich im After Sales-Geschäft generieren lassen, ebenso wie die Kundenzufriedenheit – weil der Kunde schon beim ersten Mal das richtige Ersatzteil bekommt, in der richtigen Konfiguration und mit allen Informationen, die er benötigt.

Herr Boudjakdjian, vielen Dank für das Gespräch.

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