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Elise: Parametrisches Konstruieren, auf die Spitze getrieben

Ich muss zugeben, in meiner Vorstellung arbeitet der Ingenieur immer noch als genialer „Daniel Düsentrieb“, der in seiner Hütte verschwindet und mit einem Geniestreich wieder auftaucht. Doch die Welt der Entwicklung hat sich völlig verändert: Eine Vielzahl von Randbedingungen, Abhängigkeiten und Verknüpfungen zu anderen Elementen macht es sehr schwierig, allein und im „Elfenbeinturm“ optimale Bauteile zu entwickeln. Die Topologieoptimierung zeigt, wo es hingeht: Der Entwickler definiert und verwaltet die Randbedingungen, während der Computer die optimale Form dazu errechnet. Dieses Prinzip nicht nur auf die Form, sondern eine Vielzahl von Parametern anzuwenden ermöglicht die Software Elise vom gleichnamigen Bremer Startup-Unternehmen.

Elise-Team
Seit zwei Jahren ist das Startup ELISE mit seiner Software auf dem Markt (Alle Bilder: Elise)

Das Vorbild ist die Natur. Die DNA jedes Lebewesens trägt keinen festgelegten Bauplan für einen Fisch, Baum oder Menschen in sich, sondern eine Vielzahl von Bauregeln, die es dem Lebewesen ermöglichen, sich an Umweltbedingungen anzupassen. Diese Erkenntnis entstand im Albert-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung bei der Untersuchung natürlicher Leichtgewichtsstrukturen in Planktonorganismen. Der Name Elise spiegelt dies wider, es ist die Abkürzung für Evolutionary Light Structure Engineering. Die Entwicklungsmethode wurde als VDI-Richtlinie 6224 Blatt 3 veröffentlicht und im August 2018 ein Startup-Unternehmen gegründet. Neben der Bundesregierung und der EU haben sich inzwischen Investoren wie UVC Partners, Cherry Ventures, Venture Stars und BMWi Ventures an Elise beteiligt.

Im September 2020 wurde Version 2.0 der Elise-Software veröffentlicht, die mir Mitgründer und Co-CEO Dr.-Ing. Moritz Maier demonstrierte. Das Prinzip ist so einfach wie verblüffend: Der Anwender klickt sich aus einem riesigen, frei erweiterbaren Baukasten die benötigten Generatoren und Funktionsblöcke zusammen. Jeder Block hat Ein- und Ausgänge, die miteinander verbunden werden und so Daten fließen lassen. So existiert ein Geometriegenerator für Quader, der drei Eingänge für Länge, Breite und Höhe besitzt. An diese Eingänge lassen sich Schieberegler anschließen, um die Maße einzustellen, aber auch weitere Funktionsblöcke, die Parameter steuern.

Am Ausgang für die Quadergeometrie lässt sich beispielsweise die Geometrieschnittstelle eines weiteren Bausteins anschließen, der Altair Hyperworks ansteuert. So gelangt die Quadergeometrie in Hyperworks und lässt sich dort mit Lasten versehen und simulieren. Die Lasten, Kräfte und Einspannstellen werden an weiteren Eingängen des HyperWorks-Bausteins angeschlossen und können wiederum aus anderen Quellen stammen, ebenso Materialkennwerte. Im zweiten Elise-Fenster wird das Ergebnis der Simulation angezeigt, die Simulation reagiert in Echtzeit, wenn die Geometrie des Quaders über die Schieberegler verändert wird.

Moritz Maier
Elise-CEO Moritz Maier: „Komplett vernetzten Systemen gehört die Zukunft.“

Die Brillanz des Konzepts zeigte sich, als Maier den Quader-Generator gegen einen Zylinder-Generator austauschte. Die Geometrie änderte sich, Randbedingungen und Berechnungsstruktur nicht. Nun existieren jedoch nicht nur geometrische und physikalische Bausteine, sondern auch welche, die Fertigungstechniken definieren oder Kosten. So lässt sich ein Netzwerk aus Eigenschaftengeneratoren aufbauen, das alle Aspekte eines Bauteils oder einer ganzen Maschine beschreibt, auf eine bestimmte Eingabe reagiert und eine optimale Lösung auswirft. Ich empfehle die vielen Videos auf der Elise-Website, um den Prozess besser zu verstehen.

Der Konstrukteur als Programmierer? Das hätte sich Daniel Düsentrieb nicht träumen lassen. Firmen wie EDAG oder Hyundai haben erfolgreiche Praxistests mit Elise abgeschlossen, ebenso BMW, Ariane Group oder Volkswagen. In einer immer komplexer werdenden Welt lassen sich immer komplexere Produkte anders kaum mehr entwickeln, und so werden wir Technologien wie Elise in Zukunft sicher öfter sehen. Daniel Düsentrieb bildet seine Geistesblitze dann eben auch in einem Generator ab, der seine Ideen in die Produkt-DNA einfließen lässt.

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