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Cadfem Open House – Workshop mit Manndeckung

In der Medienwissenschaft spricht man von Lean-Back- und Lean-Forward-Medien – das bezieht sich auf die Sitzhaltung. Auch Softwearepräsentationen und -workshops sind meist eher in der Lean-Back-Kategorie zu verorten. Ganz anders ging es bei der Open House-Veranstaltung von Cadfem zu, die ich am Montag besuchte. Selbst simulieren im kleinen Kreis war hier angesagt.

Longierzirkel für Traktoren: Hier dürfen Fendt-Traktoren wochenlang auf der Rüttelstrecke im Kreis fahren (Bild: Google Earth).
Longierzirkel für Traktoren: Hier dürfen Fendt-Traktoren wochenlang auf der Rüttelstrecke im Kreis fahren (Bild: Google Earth).

Bei Medien wie Fernsehen oder Radio ist der Zuschauer beziehungsweise -hörer passiv und kann sich zurücklehnen, bei interaktiven Medien wie dem Internet beugt sich der aktive Anwender nach vorn. Ähnlich ist es oft bei Präsentationen, bei denen der Vortragende mit Powerpoint-Folien hantiert und vielleicht eine kleine Live-Demo einstreut. hat sich ein ganz neues Format einfallen lassen, um Interessenten an die heranzuführen: das Open House.

Schon beim Kaffee vor Beginn fiel auf: wenige Teilnehmer, dafür umso mehr Cadfem-Mitarbeiter. Als dann die Veranstaltung startete, wurde klar: Es handelt sich– um es mathematisch auszudrücken – nicht um eine 1:n, sondern eine 1:1-Veranstaltung. Bei der Anmeldung standen zwölf Themen zur Auswahl:

  • Festigkeit eines verschraubten Gehäuses
  • Festigkeitsnachweis einer Schweißbaugruppe
  • Stabilität dünnwandiger Strukturen
  • Mechanische Eigenschaften von Kunststoffteilen
  • Maschinenschwingungen beherrschen
  • Qualitätssteigerung in Fertigungsprozessen
  • Thermal Management
  • Ausfallsicherheit in einer Multiphysik-Applikation
  • Energieeffizienz von Elektromotoren
  • Lärmemission eines Elektromotors
  • Abstimmung von mechatronischen Systemen
  • EMV in der Leistungselektronik
Meine Aufgabe: Berechnen eines Hinterachsgehäuses (Bild: Cadfem).
Meine Aufgabe: Berechnen eines Hinterachsgehäuses (Bild: Cadfem).

Es wurden allerdings nur fünf Teilnehmer zugelassen – und von denen hatte jeder einen eigenen Betreuer. Nach einer kurzen Vorstellung von Cadfem ging es dann los – Hands on!

Ich hatte mich für die Festigkeitsberechnung an einem verschraubten Gehäuse eingeschrieben. Das Beispiel des Hinterachsgehäuses eines Traktors zeigt eindrucksvoll, welchen gewaltigen Vorteil Simulation bringen kann. AGCO Fendt, aus deren Traktor das Gehäuse stammt, betreibt eine Rüttelstrecke, auf der die Traktorenprototypen ein bis vier Wochen im Kreis fahren, um die Festigkeit aller Teile nachzuweisen. Von den Kosten des Gussprototypen will ich hier gar nicht sprechen – alleine dessen Beschaffung dauert vier bis sechs Wochen. Die Simulation des Gehäuses dauert dagegen nicht einmal drei Minuten – viel Zeitersparnis, die für Optimierungen genutzt werden kann.

Man versucht, den Rechenaufwand möglichst gering zu halten, deshalb wird nur eine Hälfte des achssymmetischen Gehäuses berechnet. Das Modell ist in kurzer Zeit in die Workbench importiert und erzeugt dort ein Fenster, in dem die einzelnen Stufen der Simulation anwählbar sind. Für Multiphysiksimulationen lassen sich mehrere Simulationen laden und mittels Pfeilen verbinden – dann dienen die Ausgangsdaten einer Simulation als Eingangsgrößen für die andere. Ein Beispiel hierfür wäre eine Strömungssimulation, die Drücke errechnet, die dann wiederum zur Festigkeitsberechnung eines Behälters genutzt werden.

Das erste Ergebnis zeigt anschaulich, wie sich das Gehäiuse und die Schrauben verformen, die Darstellung ist um 200% überhöht (Bild: Cadfem).
Das erste Ergebnis zeigt anschaulich, wie sich das Gehäiuse und die Schrauben verformen, die Darstellung ist um 200% überhöht (Bild: Cadfem).

Cadfem Open House: Arbeiten im Tandem

Mit Hilfe meiner netten Betreuerin Rosi Jahn konnte ich recht schnell die Randbedingungen vergeben – Vorspannkräfte der Schrauben, Last und eine Symmetriebedingung, die dem System „sagt“, dass da noch eine andere Hälfte existiert. Die Bedienung ist, wenn man die vielen Parameter, die man ausfüllen könnte, übersieht, recht einfach. Das ist sehr gut gelöst bei Ansys: Die Komplexität ist vorhanden und der Simulationsprofi kann nahezu unbegrenzt Parameter einstellen, diese sind jedoch mit sinnvollen Vorgabewerten vorbelegt, so dass der „Gelegenheitssimulant“ diese Eingaben getrost stehen lassen kann und dann zu einem vielleicht nicht so genauen, aber tendenziell richtigen Ergebnis kommt.

Trotzdem muss man wissen, was man tut; in unserem Beispiel führte das recht grobe Berechnungsnetz an einer Stelle dazu, dass die gemittelten und ungemittelten Spannungen um etwa 30 Prozent voneinander abwichen – hier muss nachvernetzt werden. Dass etwas nicht stimmt, war schon in der „Regenbogenansicht“ deutlich, weil die Farben innerhalb von Elementen wechselten – dies zeigt, dass die Elemente viel zu groß sind.

Da stimmt was nicht - die Spannungen gemittelt/ungemittelt unterscheiden sich um 30% (Bild: Cadfem).
Da stimmt was nicht – die Spannungen gemittelt/ungemittelt unterscheiden sich um 30% (Bild: Cadfem).

Zur Verfeinerung des Netzes wählt man die entsprechenden Flächen der Geometrie aus und ändert dann die Vorgaben zur Vernetzung – in unserem Fall legten wir Elemente mit einem Millimeter Kantenlänge in eine Verrundung. Vor der Verfeinerung kopiert man im Projektmanager das Projekt, dann bleiben die ersten Ergebnisse zum Vergleichen erhalten. Das neue, feine Netz ergab ein Prozent Differenz, was schon ein sehr guter Wert ist.

Nun aber zeigte sich, dass die Spannungen in diesem Bereich zu hoch sind. Jetzt kommt SpaceClaim zum Einsatz, das CAD-System, das Ansys vor einiger Zeit gekauft hat. In Spaceclaim ist es eine Sache weniger Mausklicks, die Bohrung etwas vom Rand weg zu verschieben – ein neuer Rechenlauf zeigt, dass die Spannungen jetzt akzeptabel sind.

Abhilfe bringt ein verfeinertes Netz, das nur noch 1% Abweichung ergibt (Bild: Cadfem).
Abhilfe bringt ein verfeinertes Netz, das nur noch 1% Abweichung ergibt (Bild: Cadfem).

Nun wird man als „Simulant“ Bohrungen nicht beliebig verschieben können – meist hat sich der Konstrukteur etwas bei deren Platzierung gedacht – aber das Beispiel zeigte sehr schön, wie eine Überprüfung und eine Optimierung mit Hilfe von Simulationssoftware laufen kann. Dank SpaceClaim hat der Simulationsanwender die Möglichkeit, die Geometrie beliebig zu ändern und – durchgerechnete – Vorschläge zu bringen, wie man die Festigkeit eines Teils verbessern kann.

Geometrie einfach ändern – Spaceclaim hilft

Sehr beeindruckt hat mich übrigens die Hardware, die Berechnungen – immerhin mit 28 Schraubverbindungen und einer komplexen Gussgeometrie – liefen auf HP-Notebooks vom Typ ZBook 15 sehr flott – da bestätigen sich die guten Werte, die ich schon im Test gefunden hatte.

Es ging weiter mit einer Vergleichsstudie zur Schraubenvorspannung, die zeigte, dass weniger Vorspannung nicht bedeutet, dass die Schrauben weniger belastet sind. Mit Hilfe der Optimierungssoftware Optislang lassen sich statistische Auswertungen über ganze Parameterfelder fahren – das ging jedoch über meinen Horizont, wie ich zugeben muss.

Mit dem OpenHouse hat Cadfem ein Veranstaltungsformat gefunden, das an einem halben Tag großen Erkenntnisgewinn bringt – das war auch den anderen Teilnehmern anzumerken. Sehr positiv fiel auch auf, dass es zwar klar war, dass Cadfem mit der Veranstaltung neue Kunden gewinnen will, das Ganze aber zu keiner Zeit in eine reineVerkaufsveranstaltung abkippte. Die anderen Teilnehmer hatten, soweit ich es beurteilen kann, ebenso viel gelernt wie ich und verließen das Open House sehr zufrieden.

Cadfem betreibt übrigens einen eigenen Youtube-Channel, auf dem eine Vielzahl von Videos zu finden sind, in denen das Vorgehen bei verschiedenen Simulationen erklärt wird. Dort findet sich vieles von den Inhalten des OpenHouse in ähnlicher Form wieder.

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