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Förderpolitik: Wer braucht Zukunftstechnologien, wenn er Verbrenner haben kann?

Während meiner Genesung von einer Knie-OP (deshalb war es hier in letzter Zeit so ruhig) sollte ich wohl eher ausruhen, aber was mir die Formnext ins Postfach gespült hat, lässt mir keine Ruhe: Einerseits wird von Regierungs(partei)vertretern populistisch gegen das “Verbrenner-Aus“ gewettert und Autohersteller schließen ihre Batteriefertigung, bevor sie richtig gestartet ist. Andererseits wird gerade still und heimlich die deutsche Forschung im Zukunftsthema AM/3D-Druck abgewickelt. Ich kann da leider nur sagen: „Leute, hackt’s bei Euch?“

In den letzten Wochen konnte man gegen alle Wirtschaftsdaten das Gefühl haben, es stände eine Renaissance des Verbrennungsmotors vor der Tür. Der Kanzler windet sich bei der IAA-Eröffnung um eine eindeutige Aussage herum, während Herr Söder – wie gewohnt mit dem gefühlten „Ohr am Puls des kleinen Mannes“ – das Verbot neuer, fossil betankter Fahrzeuge (aka „Verbrenner-Verbot“) in zehn Jahren in Frage stellt. Porsche schließt nach gerade einmal vier Jahren seine Batterieproduktion in Kirchentellinsfurt – nachdem man zuerst einmal 56,7 Mio. Euro Staatsförderung eingestrichen hatte.

Der Grund: Die Elektroautos verkaufen sich nicht wie gewünscht. Spoiler: Der Verkauf von Verbrennerautos geht weltweit ebenso gewaltig zurück, während der Elektroautoverkauf steigt. Die Zahlen 2015 gegen 2024 weltweit (Quelle und weitere Infos hier):

Gesamt Stück Elektroautos

Veränderung

Verbrenner

Veränderung

2015 82.558.000
2024 89.609.000 +21.388.000 -14.337.000
Veränderung +8,5% +25,9% -17,4%

 

Wenn manche Autohersteller vor dieser Entwicklung die Augen verschließen will ist das eine mögliche, aber sicher falsche Entscheidung. Wenn aber die Politik die Augen verschließt und alte Technologien unterstützt, statt sich um die sozialen Implikationen des E-Auto-Boos zu kümmern, ist das Arbeitsverweigerung.

Wenn es der Automobilindustrie nicht gut geht, sollte man doch meinen, dass die Politik aktiv gestaltet, dass Zukunftstechnologien aufgebaut werden, oder?

Und nun kommt die Pressemitteilung der Formnext und führender AM-Experten ins Spiel. Ich kopiere die Pressemitteilung hier komplett rein, weil ich einfach fassungslos bin.


Formnext und führende AM-Experten fordern Änderung der deutschen Förderstrategie für die Additive Fertigung

Frankfurt am Main, 01.09.2025. Die Formnext sowie führende Experten im Bereich Additive Fertigung (AM) in Deutschland fordern ein Überdenken der staatlichen AM-Förderung. In der aktuellen Vorlage des Haushaltsentwurfs der Bundesregierung sind keine neuen Förderungen für AM und Leichtbau geplant.

AM-Förderung ist gestrichen
Im Haushalt ausgebremst: Die AM-Forschung (Bild: Formnext).

„Wir vermissen hier ein klares Bekenntnis zu dieser Zukunftstechnologie, insbesondere nachdem dies im Koalitionsvertrag bereits in Aussicht gestellt wurde“, so Sascha Wenzler, der als Vice President Formnext bei Mesago Messe Frankfurt die weltweit wichtigste Messe für die Additive Fertigung und die nächste Generation der industriellen Produktion verantwortet. Auch weitere führende deutsche AM-Experten zeigen sich enttäuscht und fordern eine Aktualisierung der politischen Strategie.

Noch vor wenigen Wochen hatte die neue deutsche Regierung in Aussicht gestellt, sich stärker um Zukunftstechnologien wie die Additive Fertigung zu kümmern. Der 3D-Druck wurde als förderungswürdige Technologie explizit im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD auf Seite 4 genannt. Unter dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ hieß es: „Wir fördern Leichtbau-Technologie, additive Fertigung und 3D-Druck.“ Diese Position wurde Anfang Juni bestätigt, als die Wirtschaftsminister der Bundesländer für zwei Tage in Stuttgart zusammenkamen: „Die Wirtschaftsministerkonferenz begrüßt, dass die Förderung von Leichtbautechnologien, additiver Fertigung und 3D-Druck auch weiterhin zu den politischen Zielsetzungen auf Bundesebene zählt – ein wichtiges Signal, das nun mit konkreten Maßnahmen hinterlegt werden sollte“, hieß es im Ergebnisprotokoll.

Nur noch abwickeln

Im aktuellen Haushaltsentwurf der Bundesregierung von 26.06.2025 findet sich die Additive Fertigung (die bisher unter dem Begriff Leichtbau mitgefördert wurde) dagegen nicht wieder. Auf Seite 3364 werden dagegen für den Bereich Leichtbau statt neuer Projekte nur noch Mittel eingeplant, die „ausschließlich zur Ausfinanzierung der in Vorjahren eingegangenen Verpflichtungen und zur Abwicklung des Programms Leichtbau“ dienen.

Auswirkungen auf AM-Industrie und andere Branchen

Sollte dieser Entwurf umgesetzt werden, sieht Sascha Wenzler „die weltweit führende Position der deutschen AM-Industrie langfristig auf dem Spiel. Dies hätte sicherlich auch Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit zahlreicher deutscher Industriebereiche.“ Denn die Additive Fertigung ist eine junge und gleichzeitig extrem innovative Technologie. Additiv gefertigte Bauteile und Komponenten machen bereits heute in zahlreichen Branchen neue, leistungsfähigere und oftmals auch nachhaltigere Produkte und Lösungen möglich. Das betrifft unter anderem die Automobilindustrie, die Medizin, die Energiewirtschaft sowie sicherheitsrelevante Branchen wie Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung.

„Diese große Bedeutung für Innovationen haben Staaten wie USA, China und zahlreiche andere erkannt und in entsprechenden Förderprogrammen umgesetzt“, ergänzt Christoph Stüker, ebenso Vice President Formnext bei Mesago Messe Frankfurt. „Die deutsche AM-Industrie spielt in der führenden Liga weltweit. Die Innovationen, die deutsche Unternehmen und Forschungsinstitute regelmäßig erfolgreich entwickeln, reichen von neuen AM-Systemen über Materialien bis hin zu Lösungen für die Nachbearbeitung.“ Dies zeigt sich auch jedes Jahr auf der Formnext, die als international wichtigstes Branchenevent die weltweite AM-Szene nach Frankfurt holt. „Damit die Lösungen deutscher AM-Unternehmen auch in Zukunft Innovationen in weiten Teilen der Industrie ermöglichen können, brauchen wir ebenso eine staatliche Unterstützung dieser für die gesamte Industrie so wichtigen Branche“, so Stüker.

„Strategie dringend aktualisieren“

Auch wichtige deutsche AM-Experten sehen die aktuelle Entwicklung kritisch. „Wir hatten mit dem neuen Koalitionsvertrag die Hoffnung verbunden, dass die Additive Fertigung systematisch sowohl kurzfristig als auch mittelfristig Unterstützung erfährt, um im globalen Wettbewerb in der Führungsgruppe bleiben zu können“, so Prof. Christian Seidel von der Hochschule München University of Applied Sciences und von Wohlers Associates. Die Folgen für die AM-Landschaft in Deutschland sind für Seidel nicht absehbar „Während andere Länder das Vorankommen in der Additiven Fertigung mit hohen Beträgen fördern, gilt es in Deutschland nun dringend, die eigene Strategie zu aktualisieren und gemeinsam zwischen Politik und Wirtschaft umzusetzen. Ein „Weiter so“ kann ins Mittelmaß führen.“

Ähnliche Bedenken äußert Markus Heering, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Additive Manufacturing im VDMA: „Wir sehen die aktuelle wirtschaftspolitische Entwicklung in Deutschland rund um neue Produktionstechnologien, insbesondere Additive Manufacturing kritisch. Für den heimischen Maschinen- und Anlagenbau sind Innovationen aus der Industrie und der Forschung auch mit leistungsfähigen AM-Lösungen enorm wichtig. Das ist ein Schlüssel zur Entwicklung von Technologieführerschaft und Erhaltung der technologischen Souveränität des Standortes Deutschland. Dazu fordern wir ein starkes Engagement aus der Politik.“


So sieht es aus, wenn ein Land seine Zukunft verspielt und in der Vergangenheit steckenbleibt.

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