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Digitale Zwillinge: Eine Vision mit enormem Potential (Serie)

Der digitale Zwilling ist in aller Munde. Der Begriff ist auch allzu schön: Ein digitales Ebenbild des realen Produkts – darunter kann sich jeder etwas vorstellen. Ein reales Produkt, das parallel in aller Umfänglichkeit digital abgebildet ist. Eigentlich ist es ja sogar andersherum, denn der digitale Zwilling entsteht vor seinem realen Gegenstück. Und es gibt viel mehr als nur einen Zwilling – sondern eine ganze Familie davon. Der folgende Artikel erklärt und beschreibt, was der digitale Zwilling ist, wozu er dient, was er kann und was nicht. Ich nehme dabei wenig Rücksicht auf den aktuellen Stand der Technik oder den Funktionsumfang einer bestimmten Software.

Der digitale Zwilling bietet Einblicke in komplexe Produkte (Bild: SolidWorks/Vasileios Thalassinos)

Ich versuche vielmehr, eine allgemeine und gesamtheitliche Betrachtung zu bieten. Wenn Ihnen jemand erzählt, er könne den digitalen Zwilling bereits heute umsetzen und implementieren, sagt er in Wirklichkeit: „Ich kann die Aspekte des digitalen Zwillings umsetzen, die meine Software abdeckt oder die für meine Disziplin wichtig sind“.

Der Artikel ist wegen seiner Länge auf fünf Seiten verteilt:

Wissen ist Macht, mehr Wissen ist mehr Macht?

Anatomie des digitalen Zwillings

Der reale Zwilling kommt ins Spiel

Der digitale Zwilling erwacht zum Leben

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Wissen ist Macht, mehr Wissen ist mehr Macht?

Wissen ist Macht – das stellte schon der englische Philosoph Francis Bacon im Jahr 1598 in seinen „Meditationes sacrae“ fest. Und so versuchen Personen, Staaten und Unternehmen schon immer, möglichst viele Informationen zu sammeln. Denn Informationen sind die Grundlage von Entscheidungen – je mehr richtige Informationen vorliegen, desto weniger Annahmen sind notwendig, um eine fundierte Entscheidung zu treffen.

In den meisten Bereichen wird jedoch meist nur die Entscheidung dokumentiert, nicht aber die Gründe, die zu dieser Entscheidung führten. In der Produktentwicklung wird meist nur die erfolgreiche Variante dokumentiert, die schließlich das fertige Produkt ergibt. Dabei entstanden auf dem Weg dahin dutzende oder gar hunderte anderer Varianten erdacht, aber wieder verworfen. Ändern sich die Vorgaben, kann nicht auf diese Varianten zugegriffen werden, obwohl da vielleicht die Lösung des Problems schon einmal entwickelt und dann verworfen wurde.

Digitale Zwillinge enthalten weit mehr als 3D-Geometrie (Bild: Dassault Systèmes).

Zudem entstehen Informationen zu einem Produkt an ganz unterschiedlichen Stellen im Unternehmen, stehen dann aber in den traditionellen Silostrukturen nirgends komplett zur Verfügung. So kann es vorkommen, dass der Einkauf eine bestimmte Komponente sehr teuer einkauft, weil der Konstrukteur ein Material vorgegeben hat. Dabei wäre das Bauteil in einem anderen Material vielleicht viel preiswerter verfügbar, aber der Einkäufer weiß nicht, warum das vorgegebene Material gewählt wurde und wie wichtig es ist, genau dieses Material zu nutzen.

Ein engagierter Einkäufer wird nun zum Konstrukteur gehen oder ihn anrufen, um zu fragen, ob das preiswertere Teil die Anforderungen auch erfüllen würde. In ganz vielen Fällen wird aber nicht nachgefragt, sondern ein Einsparpotential liegengelassen. So geht es an ganz vielen Stellen – ein Zentimeter Breite des Produkts und damit der Verpackung kann signifikant geringere Versandkosten bedeuten, aber das kann der Konstrukteur nicht wissen – bis der Logistiker nachfragt. Dann sind aber schon Formen gebaut und die vorbereitet und de Änderung, die vielleicht gar keinen technischen Nachteil hätte, ist nicht mehr möglich.

Steigende Energiepreise, CO2-Zertifikate, Konkurrenz aus Billigländern oder unsichere Lieferketten – es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum es sich lohnt, jedes mögliche Einsparpotential zu nutzen. Das gelingt nur, wenn an jeder Stelle die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Und das wiederum bedingt, dass an jeder Stelle die Daten und Informationen vorliegen, die zur richtigen Entscheidung und zum optimalen Prozess beitragen.

Gab es früher oft zeitliche, technische und finanzielle Zwänge, die dafür sorgten, dass nur spärlich dokumentiert wurde, ist diese Argument in Zeiten digitaler Prozesse und quasi unbegrenzten, billigen Speicherplatzes obsolet geworden. Moderne Technologien ermöglichen schnelle Suchen in gigantischen Datenbeständen, so dass auch obskure Informationen wiedergefunden werden können.

Gleichzeitig steigen die Verpflichtungen für Unternehmen zur Dokumentation ständig an. Was mit Sicherheitsvorschriften und der Einhaltung von DIN-Normen begann, ist heute mit REACH-Dokumentation der Rohstoffe und spätestens dem Lieferkettensorgfaltsgesetz ab 2023 zu einer gigantischen Welle von Dokumentationspflichten angewachsen. Jedes größere Unternehmen muss detailliert nachweisen, welche Stoffe in seinem Produkt und dessen Bauteilen stecken, wo diese herkommen und unter welchen Bedingungen sie gefördert, hergestellt und weiterverarbeitet wurden – und das über die gesamte Lieferkette hinweg.

Das bedeutet, dass mit jedem Produkt, jedem Bauteil und jedem Halbzeug ein Datensatz mitgeliefert werden muss, in dem diese Informationen aufgeführt sind. Was mit REACH nur die Inhaltsstoffe betraf, umfasst nun auch die Entstehung der Stoffe und deren Verarbeitung. Denkt man an komplexe Produkte wie ein Auto, das aus mindestens 10.000 Bauteilen besteht oder gar der Boeing 747-8 mit etwa sechs Mio. Einzelteilen, wird schnell klar, dass sich diese Informationen nur digital verwalten und ablegen lassen.

Die Beispiele zeigen: Digitale Zwillinge sind keine trendige Idee, sondern unausweichliche Konsequenz moderner Prozesse und Anforderungen. Doch was braucht ein , was sind seine Vorteile?

Alle Teile:

Wissen ist Macht, mehr Wissen ist mehr Macht?

Anatomie des digitalen Zwillings

Der reale Zwilling kommt ins Spiel

Der digitale Zwilling erwacht zum Leben

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Anatomie des digitalen Zwillings

Was ist ein digitaler Zwilling? Daran scheiden sich die Geister, Firmen definieren ihn sehr unterschiedlich – gerne anhand der Grenzen des eigenen Portfolios. Die Wikipedia definiert ihn wie folgt:

Ein digitaler Zwilling (engl. digital twin) ist eine digitale Repräsentanz eines materiellen oder immateriellen Objekts aus der realen Welt in der digitalen Welt. Es ist unerheblich, ob das Gegenstück in der realen Welt bereits existiert oder zukünftig erst existieren wird. Digitale Zwillinge ermöglichen einen übergreifenden Datenaustausch. Sie sind mehr als reine Daten und bestehen aus Modellen des repräsentierten Objekts und können daneben Simulationen, Algorithmen und Services enthalten, die Eigenschaften oder Verhalten des repräsentierten Objekts beschreiben, beeinflussen, oder Dienste darüber anbieten.

Hier wird auch der Unterschied zwischen dem digitalen Zwilling und der bisherigen Datensammlung beispielsweise in einem PLM-System deutlich. Über die reinen Daten hinaus fügt das Konzept des digitalen Zwillings die Verknüpfung dieser Daten miteinander hinzu – in Form von funktionalen Beschreibungen, also „Wie interagieren die Bauelemente miteinander und warum“. Die „Darreichungsform dieser Verknüpfung sind Simulationen, Algorithmen oder Systembeschreibungen, wie sie aus dem bekannt sind.

Je nach Blickwinkel bildet das Funktionsmodell oder das 3D-Modell das Gerüst des digitalen Zwillings, ich entscheide mich hier (zunächst) für das Geometriemodell. Nehmen wir den einfachsten Fall eines digitalen Zwillings zum Beispiel, dann wird schnell die inhärente Komplexität des Konzepts deutlich.: Der digitale Zwilling eines einzelnen Bauteils. Bauteile existieren nicht „einfach so“ – mal ausgenommen Normbauteile – sondern entstehen in einem Kontext.

Der digitale Zwilling? Nein, es gibt eine ganze Abfolge digitaler Zwillinge im Produktlebenszyklus (Bild: Siemens).

Ein Bauteil entsteht als Teil einer Komponente, einer Baugruppe, einer Maschine, eines Maschinenparks, einer ganzen Fabrik. So ist es von Beginn an in einen Kontext eingebunden. Das Bauteil, wird zu einem bestimmten Zweck und genau abgestimmt auf diesen Zweck entwickelt. Material, Form und Aussehen werden durch die Funktion und die umgebenden Bauteile bestimmt. Die Geometrie entsteht als optimale Repräsentanz der Aufgabe, des Zwecks, der Funktion dieses Bauteils.

Schon das 3D-Modell ist weit mehr als nur die Geometrie. Es enthält nicht nur die 3D-Form des Teils, sondern sozusagen das „rich model“, also 3D-Geometrie plus Material, Farbe, Toleranzen und Anmerkungen und Fertigungsinformationen – eben das klassische -Modell. Im klassischen PLM-Ansatz wird dieses 3D-Modell zum einen durch nichtgeometrische Informationen ergänzt:  Teilenummer, Lieferanteninformationen, Revisionsnummer, Preis, Fertigungsablauf, Serviceinformationen, Dokumentationen und vieles andere.

Die dritte Komponente des Bauteils im digitalen Zwilling sind die Verknüpfungen – zum einen der Platz in der Hierarchie des Gesamtkontexts, zum anderen die Anforderungen oder Requirements, die andere Bauteile oder „der Kontext“ an das Bauteil stellen. Damit die Maschine funktionieren kann, muss das Bauteil bestimmte Anforderungen erfüllen und damit es diese Anforderungen erfüllen kann, braucht es eine bestimmte Form, ein Material und so weiter.

Interessant wird es abseits der Mechanik: Bei elektrischen Bauteilen sind die nichtgeometrischen Eigenschaften wichtiger als die geometrischen, wobei auch diese natürlich eine Rolle spielen, beispielsweise für das 3D-Modell einer bestückten Platine. Software schließlich hat gar keine Geometrie und die nichtgeometrischen Eigenschaften bestehen vor allem aus Funktionen und Algorithmen. Sie alle sind nichtsdestotrotz Bausteine des Produkts und digitale Zwillinge, die gemeinsam das Produkt beschreiben.

Produkte bilden eine Hierarchie von digitalen Zwillingen, wie es das PLM-System Enovia V6 schön zeigte (Bild: Dassault Systèmes).

Eine Baugruppe ist dann die nächste Hierarchieebene, die mehrere Bauteile zu einem funktionalen und räumlichen Komplex zusammenfasst. Die Bauteile einer Baugruppe interagieren miteinander, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Auch hier findet sich also der Dreiklang von 3D-Modell, nichtgeometrischen Informationen und Verknüpfungen – nach innen mit den Bauteilen, nach außen mit der nächsten Baugruppenhierarchieebene oder der Maschine.

Hier zeigt sich übrigens das Elend der unterschiedlichen Stücklisten, an denen man am Ende nicht vorbeikommt: Quer zu dieser schönen Hierarchiestruktur aus funktionalen und räumlichen Bauteilen, Baugruppen, Oberbaugruppen und so weiter gibt es weitere, in der Praxis relevante Strukturen. Ein typisches Beispiel ist der Motordichtsatz für ein Auto: Dieser enthält alle Dichtungen eines Motors von der Ölwanne über den Zylinderkopf bis hin zu Anbauaggregaten und Schnittstellen zu anderen Teilen des Autos. Der Dichtsatz ist ein wichtiges Element im Kontext von Ersatzteilverkauf und Service, enthält aber Bauteile aus ganz unterschiedlichen Baugruppen. Ein Eigenleben führt hier auch die Software, die viele Baugruppen miteinander verbindet, diese steuert oder diese zum Interagieren bringt.

Es gibt also nicht nur einen digitalen Zwilling, sondern ganz viele: Jedes Bauteil hat einen und ebenso jede Baugruppe. Und natürlich deckt der digitale Zwilling nicht nur die Mechanik, sondern auch Elektrotechnik, Elektronik und Software ab. Zusammen bilden diese vielen digitalen Zwillinge den „digitalen Gesamtzwilling“ eines Produkts.

Alle Teile:

Wissen ist Macht, mehr Wissen ist mehr Macht?

Anatomie des digitalen Zwillings

Der reale Zwilling kommt ins Spiel

Der digitale Zwilling erwacht zum Leben

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Der reale Zwilling kommt ins Spiel

Anfangs existiert der digitale Zwilling allein, ja es ist sogar seine Aufgabe, die „Geburt“ seines realen Pendants so lange wie möglich zu verhindern. Indem der digitale Zwilling die Basis für eine große Vielfalt von Simulationen bildet, macht er reale Prototypen überflüssig. Diese Simulationen sind auch ohne den digitalen Zwilling möglich, erfordern aber, wenn sie wirklich realistisch sein sollen, eine aufwendige Vorbereitung. Der digitale Zwilling enthält all die vielen Informationen, die für jede Art von Simulationen notwendig sind und bisher mühsam zusammengesucht werden mussten. Im Zeitalter des digitalen Zwillings – und in der idealen Welt – sucht sich die die benötigten Daten aus dem digitalen Zwilling zusammen – von der Geometrie über das Material bis hin zum Verhalten. Dabei enthält beispielsweise der digitale Zwilling einer elektronischen Komponente auch dessen Wärmeverhalten, so dass dessen Abwärme in einer thermischen Simulation berücksichtigt werden kann. Die Höhe der Wärmeentwicklung kann wiederum von dem aktuellen, zu simulierenden Status der Maschine abhängen und damit von der Software. Man kann es so ausdrücken: Der digitale Zwilling repräsentiert das Produkt, die Simulation erweckt das Produkt zum (virtuellen) Leben.

Der digitale Zwilling der Fertigung basiert auf dem digitalen Bild des Produkts (Bild: Cenit).

Doch irgendwann geht es weiter im Lebenszyklus und der reale Zwilling entsteht. Dazu muss er gefertigt werden, was eine weitere Konstruktionsphase auslöst, in der Fertigungsanlagen und Informationen entstehen, auf denen das Produkt gefertigt werden soll – seien es ganze Maschinen, einzelne Betriebsmittel oder einfach NC-Programme. Natürlich haben diese Anlagen und Informationen ebenfalls einen digitalen Zwilling und der digitale Zwilling des Produkts ist die Basis für die Entstehung der Fertigungsanlagen und NC-Programme. Spätestens jetzt wird es komplex, wir treten in eine Welt miteinander vernetzter digitaler Zwillinge ein.

Oft wird von verschiedenen digitalen Zwillingen gesprochen, vom digitalen Zwilling des Produkts, der Fertigung und dem digitalen Servicezwilling. In meinem Verständnis sind dies verschiedene Sichten oder Bereiche des Gesamtzwillings – der sich im Falle der Fertigung mit anderen Zwillingen überschneidet und verbindet.

Meine Definition macht diese Sichten aber nicht weniger wichtig oder relevant. Diese digitalen Zwillinge repräsentieren verschiedene Lebenszyklusbereiche: Der Digitale Zwilling des Bauteils an sich, der digitale Zwilling der Fertigung und der digitale Servicezwilling – die eben in den Phasen Konstruktion, Fertigung und Nutzungsphase im Vordergrund stehen. Und wie es Stücklisten „as designed“, „as built“, „as maintained” und so weiter gibt, so entwickelt und wandelt sich der digitale Zwilling im Laufe des Produktlebenszyklus ständig weiter.

In meinem Verständnis handelt es sich dabei um ein und denselben Zwilling, der immer weiter mit Informationen angereichert wird, verschiedene Stufen und eine Historie besitzt und so den Lebenszyklus des Produkts abbildet.

Sobald ein realer Zwilling existiert, generiert dieser Informationen, die in den digitalen Zwilling zurückgespiegelt werden. So fließen in den digitalen Zwilling der Fertigung Daten aus der realen Fertigung ein, beispielsweise Seriennummern verbauter Komponenten, Anzugsdrehmomente, Fertigungsdatum, Chargennummern und so weiter. Damit kann sich der digitale Zwilling, der bis hierhin sozusagen ein Idealbild des Produkts war, in ganz viele Zwillinge aufspalten und jedes einzelne reale Produkt seinen eigenen, individuellen Zwilling besitzen. Ob das sinnvoll ist, hängt natürlich stark vom Produkt ab, von dessen Typ, Lebenszyklus, Lebensdauer, Preis und Komplexität. Sobald ein Produkt mit Seriennummern ausgestattet ist, kann es sinnvoll sein, einzelne Produkte weiterzuverfolgen und digital abzubilden.

Alle Teile:

Wissen ist Macht, mehr Wissen ist mehr Macht?

Anatomie des digitalen Zwillings

Der reale Zwilling kommt ins Spiel

Der digitale Zwilling erwacht zum Leben

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Der digitale Zwilling erwacht zum Leben

fügt dann diesem sich ständig wandelnden digitalen Zwilling Informationen aus Betrieb und Service hinzu: IoT-Sensoren liefern Daten, die benutzt werden können, um die Realität in die digitale Welt zu holen. Dies wiederum bildet die Basis für Technologien und Angebote wie Predictive oder Reliability Based Maintenance – zum einen lassen sich aus dem Gesamt-Datenpool Muster extrahieren, wann welches Bauteil bei einer Maschinenserie kaputtgeht, zum anderen lassen sich die Daten einer bestimmten Maschine verfolgen und Teile „predictive“, also rechtzeitig vor dem Versagen, wechseln.

Die Daten aus dem Realbetrieb ermöglichen es, diese Realität in die digitale Welt zurück zu spiegeln. Dies ermöglicht eine ganze Reihe interessanter Anwendungen, vor allem können die Realdaten als Eingangsgröße für Simulationen dienen, was einerseits deren Validität erhöht und andererseits einen Blick in die Zukunft erlaubt. Im letzteren Fall extrapoliert die Simulation die Realwerte in die Zukunft, um Fragen zu beantworten wie: „Wie entwickeln sich die realen Werte weiter?“.

IoT-Daten schaffen die Brücke zwischen realem und digitalem Zwilling (Bild: PTC).

Realdaten können dafür genutzt werden, die Annahmen, die in der Konstruktion getroffen wurden, zu validieren. Simulationsergebnisse können mit realen Messwerten verglichen werden, um einerseits die Simulation zu optimieren und andererseits Schwachpunkte oder Optimierungspotentiale für das Produkt zu erkennen.

Digitale Zwillinge lassen sich für Schulungszwecke nutzen, indem er als Basis für eine Visualisierung und -Animation dient. Dies kann beispielsweise in einem industriellen Metaverse geschehen. Der Auszubildende kann dann über seinen Avatar die Maschine steuern oder das Produkt nutzen und eine Echtzeit-Simulation steuert das virtuelle Modell entsprechend der Vorgaben des digitalen Zwillings. So haben seine Eingaben dieselben Auswirkungen wie in der Realität. Diese Funktionalität lässt sich auch nutzen, um Umbauten und Reparaturen zu planen oder Testläufe zu fahren – was passiert, wenn man den Takt um 20 Prozent erhöht?

Der digitale Zwilling ist – wenn er seriennummergenau geführt und aktualisiert wird – die Basis für Service und Wartung. Der Servicetechniker findet hier den aktuellen Zustand einer Maschine mit allen Umbauten, Retrofits und Modernisierungen, die seit der Inbetriebnahme durchgeführt wurden. Wurde eine Komponente durch eine neuere Version oder ein ähnliches Bauteil ersetzt, ist dies im digitalen Zwilling hinterlegt, ebenso wie der Zeitpunkt des Austauschs, Notizen und Schriftverkehr dazu sowie die Servicedokumentation und alle anderen Informationen, die zur Maschine gehören.

Hier zeigt sich ein Vorteil des digitalen Zwillings – statt dicke Handbücher und in verschiedenen Medien verstreute Informationen zu durchsuchen, klickt sich der Anwender durch das 3D-Modell der Maschine und findet beim Anklicken eines Bauteils oder einer Baugruppe alle Informationen, die mit diesem Element verknüpft sind, idealerweise inklusive dem Link zur Ersatzteilbestellung.

Dicke Handbücher in 150 Prozent-Abdeckung sind damit übrigens ebenso obsolet. Der digitale Zwilling enthält genau die Dokumentation, die diese Seriennummer beschreibt, und nicht alle möglichen Varianten, aus denen man sich dann die passende Konfiguration heraussuchen muss.

Alle Teile:

Wissen ist Macht, mehr Wissen ist mehr Macht?

Anatomie des digitalen Zwillings

Der reale Zwilling kommt ins Spiel

Der digitale Zwilling erwacht zum Leben

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Viel Funktionen und Möglichkeiten, die im Artikel beschrieben wurden, finden sich heute schon in PLM-, Simulations-, ERP-, Dokumentations- und Ersatzteilkatalogsystemen. Ist der digitale Zwilling deshalb einfach mal wieder ein neues Marketingwort, das bestehende Technologie im neuen Gewand verkaufen soll?

DigitalenInformationen ergänzen und erweitern die Realität (Bild: PTC).

Das Besondere am Konzept des digitalen Zwillings sind Vollständigkeit, Detailgrad, und die Abdeckung des gesamten Lebenszyklus sowie der mögliche Rückkanal via IoT. Und auch wenn die Summe der Informationen in den verschiedenen Systemen zu finden sind und über Schnittstellen austauschbar werden, lässt sich die komplette Vision des digitalen Zwillings eigentlich erst in einem nahtlosen, integrierten Prozesswerkzeug umsetzen. Es braucht also eine allumfassende Softwarebasis, die alle Bereiche – Konstruktion, Fertigung, Einsatz – abdeckt und die Informationen nahtlos, maschinenlesbar und allumfassen nutzbar zur Verfügung stellt.

Aktuell sind wir auf dem Weg zum digitalen Zwilling und es gibt auch schon vielversprechende Ansätze. Am Ziel sind wir, wie so oft, noch lange nicht. Aber auch diese ersten Ansätzen sind schon sehr effiziente Werkzeuge, die ermöglicht und bestehende Prozesse unterstützt.

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