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Digitale Transformation: Den Ersten beißen manchmal die Hunde

Bei sehr vielen Erfindungen geht der Ur-Erfinder leer aus, weil die Zeit oder der Markt noch nicht reif ist für sein Produkt, ein gutes Beispiel dafür ist der Newton von Apple, der schon 1993 vieles vorwegnahm, was 2007 beim iPhone für Aufsehen sorgte. Den richtigen Zeitpunkt zum Einstieg in einen Markt zu finden ist fast noch schwieriger als die Entwicklung des zugehörigen innovativen Produkts. Manchmal ist etwas Zurückhaltung auch sinnvoll. Für mich sind die Digitale Transformation und vor allem sowie das autonome Auto sehr gute Beispiele für letzteres. Andererseits – den letzten beißen die Hunde ganz sicher.

Tesla 3 Unfall
Der zweite Tesla, der unter einem Sattelzug hindurchfährt Bild: NTSB).

Die deutsche Automobilindustrie ist hoffnungslos abgeschlagen, wenn man verschiedenen Presseberichten Glauben schenkt. Die US-Unternehmen Google, Tesla, Uber und Co. erarbeiteten sich einen uneinholbaren Vorsprung im Bereich des autonomen Fahrens, im E-Auto-Bereich hängen uns die Chinesen ab und so weiter. Öffnet man etwas den Fokus, kann man noch die Behauptung mitnehmen, dass Deutschland im Bereich der KI den Anschluss verloren hat. Doch schauen wir uns die aktuelle Entwicklung einmal genauer an:

Jetzt in diesem Augenblick alle Energie in diese neuen Technologien zu stecken ist aus mehreren Gründen falsch:

  • Schon der Begriff „Künstliche Intelligenz“ ist eine horrende Übertreibung. Heute stehen wir auf einem Stand, auf dem man nicht ansatzweise von Intelligenz sprechen kann. Schiebt man in eine KI eine genügende Menge an Beispielbildern, kann sie mit nicht zu verachtender Genauigkeit Gesichter, Gegenstände oder Katzen erkennen. Seien wir ehrlich: Katzen erkennen kann jeder Zweijährige und er hat dann mehr verstanden als die KI – nämlich dass eine Katze ein Tier ist, weich, sich streicheln lässt und so weiter. Mit drei Jahren versteht er vielleicht schon, dass Katzen Mäuse jagen. Die KI ist dann immer noch beschäftigt, Katzencontent im Internet zu sortieren. Und sie ist rassistisch, frauenfeindlich und diskriminierend. Zusammenfassung: KI in der heutigen Form ist ein wichtiges Forschungsfeld, das man nicht vernachlässigen darf und das in bestimmten Fällen sehr nützlich ist. Aber weit von dem entfernt, was der Hype verspricht.
  • Das autonome Fahrzeug ist weder aktuell ausgereift, noch gesetzlich verankert, geschweige denn kann jemand eine Antwort darauf geben, welches Problem eigentlich damit gelöst werden soll? Unser Problem sind doch nicht die ach so schlechten Fahrer, sondern zu viele Autos und zu wenig öffentliche Verkehrsmittel. Wenn Autos autonom fahren, werden sie nicht automatisch weniger. Ja ich weiß, Car Sharing. Besser wäre immer noch, Bus und Bahn zu nutzen.
  • Ist das batteriegetriebene Elektrofahrzeug die Lösung aller Energieprobleme? Bestimmt nicht. Wir werden in der Zukunft einen bunten Mix von Antriebsarten auf der Straße sehen – von oberleitungsgetriebenen LKW über Batterie-, Brennstoffzellen- und Hybridautos bis hin zu „Altfahrzeugen“, die mit Gas oder Benzin aus erneuerbarer Energie fahren.

2,6 Tonnen in die falsche Richtung entwickelt: Der Audio e-tron 55 (Bild: Henning Schlottmann (User: H-stt) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons)
Alle drei Hypethemen haben eins gemeinsam: Sie sind nicht DIE Lösung für alle Probleme, sondern glänzen in Spezialanwendungen und bestimmten Szenarien. Man kann hier den selben Effekt beobachten wie vor einigen Jahren, als Experten in nächster Zukunft auf jedem Schreibtisch einen 3D-Drucker vorhersahen: Eine Technologie wird erst völlig überschätzt und gerät dann – im besten Fall – in ein vernünftiges Fahrwasser. Und genau das tun die deutschen Hersteller weitgehend unbemerkt:

Sie koppeln LKW zu Zügen wie Daimler oder lassen sie automatisch an der Laderampe andocken wie die ZF. Die Verbände arbeiten an einer nationalen und europäischen KI-Strategie. Und sie arbeiten daran, sich von der herkömmlichen Karosseriestruktur zu lösen und leichtere Batterieautos zu bauen. Leider kann ich im Bereich der Diversifizierung der Antriebskonzepte keinen deutschen, sondern nur einen japanischen Beleg liefern, da beginnen die verbrennerzentrierten Autokonzerne tatsächlich, den Anschluss zu verlieren, was durch hektische Manöver ausgeglichen werden soll.

Man möchte den Firmen zurufen: „Macht Euch locker, setzt die Scheuklappen ab, lasst die anderen sich die blutigen Nasen holen, investiert in Innovation auch abseits der Hypethemen.“ Das bedeutet gerade nicht, im bisherigen Trott weiterzumachen, denn: Zu spät ist noch schlimmer als zu früh auf dem Markt. Sinnvolle Einsatzgebiete findet, technologisch differenzieren, Ideen bis zum Ende denken. Und wenn die Parameter stimmen, mit aller Konsequenz springen. Wenn die Unternehmen nach dieser Strategie vorangehen, ist mit nicht bange. Oder, wie schon meine Oma sagte:

„Eile mit Weile“

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1 Kommentar

  1. Thomas Wedel

    Als Mitarbeiter eines führenden IT-Unternehmens müsste ich eigentlich dauernd in Superlativen schwelgen, welche technologischen Highlights uns erwarten. Als gelerner Ingenieurwissenschaftler sehe ich aber genauso die Schwierigkeiten, die uns in der Umsetzung begleiten und die viel Zeit und Mühe kosten. Insofern finde ich diesen Beitrag herzerfrischend realistisch und „unaufgeregt“. Vielen Dank dafür. Und mir ist über die Zukunft unseres Standorts vor diesem Hintergrund auch nicht bange. Faktenbasierte, emotionslose Betrachtung der Situation und der Perspektiven zeichnet uns Deutsche einfach aus und wird uns auch zukünftig helfen.

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