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Artec Space Spider: High-End-3D-Scanner im Hands-On-Test

Vor einer Weile hatte ich mal relativ erfolglos einen bq Ciclop ausprobiert und mich im Sommer im Zusammenhang mit [amazon text=meinem Buch „CAD für Maker“&asin=3446450203] mit dem photogrammetrischen 3D-Scannen mit Autodesks 123D Catch beschäftigt. In beiden Fällen ist mir aufgefallen, wie mühsam der Weg zu einem 3D-Modell ist, das sich sinnvoll weiternutzen lässt. Liegt das an einer grundsätzlichen Problematik des 3D-Scan-Workflows oder an der Tatsache, dass ich bisher mit echten Low-End-Lösungen gearbeitet habe? Deshalb habe ich beim Scannerhersteller Artec  nach einer Livedemo ihrer High-End-Lösung angefragt und hatte diese Woche in einem Makerspace in München Gelegenheit, erstmals mit einem Spider-Scanner und der Software Studio 11 zu arbeiten.

Die Artec-3S-Scanner sind bereit zum Scannen im MakerSpace der TU München.
Die Artec-3S-Scanner sind bereit zum Scannen im MakerSpace der TU München.

Der für alle Maker, Kreativen, Start-ups und andere Interessierte offenstehende Makerspace gehört zu UnternehmerTUM, dem Zentrum für Innovation und Gründung an der TU München und ist der Traum jedes Makers und Technikverliebten. Wenn man eintritt, stößt man direkt auf ein ganzes Regal voller 3D-Drucker von Ultimaker und daneben auf den riesigen BigRep One. Hinter diesem wiederum verschwindet fast der Laserplotter. Eine Tür weiter stehen CNC-Bearbeitungszentren und eine Wasserstrahlmaschine. Mechanische Werkstätten für Holz und Metall, ein Elektroniklabor, eine Ecke für Näharbeiten, Schneidplotter, ein Bestückungsautomat sowie ein Kunststoff-Sinterdrucker von EOS ergänzen das Angebot. Natürlich finden sich auch CAD-Arbeitsplätze und ein freier Arbeitsbereich, der für verschiedene Tätigkeiten genutzt werden kann. Es lohnt sich wirklich, eine der täglich fünf Führungen mitzumachen.

Alexandra Bongartz vom Münchener 3D-Druck- und Scanspezialisten Freeform4U, die im Makerspace die 3D-Drucker und 3D-Scanner betreut, brachte einen 3D-gedruckten Dinoschädel zum Scannen mit. Die Scanstation des Makerspace besteht aus einem PC mit der Scansoftware 11 und zwei 3D-Scannern, die wechselweise oder auch gemeinsam genutzt werden können.

Die beiden Artec-Scanner und arbeiten nach dem Streifenlichtprinzip und besitzen eine zusätzliche Farbkamera, die parallel zum  Scannen die Texturen des Objekts aufnehmen kann. Während der Space Spider mit einer Auflösung von bis zu 0,1 Millimeter, einem maximalen Messfeld von 180 x 140 Millimeter und einem Arbeitsabstand zwischen 0,17 und 0,35 Meter ist eher für die sehr präzise Aufnahme kleiner Objekte gedacht. Die Eva dagegen ist für größere Objekte optimiert, hier liegen die Werte bei 0,5 Millimeter Auflösung, maximalem Messfeld von 536 x 371 Millimeter bei einem Messabstand zwischen 0,4 bis 1 Meter.

Nach dem Aufwärmen – die Artec-Scanner arbeiten mit einer Temperaturstabilisierung, damit die Messergebnisse nicht von der Umgebungstemperatur beeinflusst werden – und dem Start der Studio-Software ist der Space Spider einsatzbereit. Am Scanner selbst ist ein Kippschalter zum Starten und Stoppen des Scans angebracht, was die Arbeit vereinfacht. Frau Bongartz hatte einen Drehteller mitgebracht, der mit wilden Filzstift mustern bemalt war. Diese Muster erleichtern der Scansoftware die Verortung des Scanners im Raum. Da die Artec-Scanner handgeführt sind, kennt die Software die Position und Ausrichtung des Scanners nicht, sondern muss diese bei jeder Messung aus der Umgebung des Objekts errechnen – und das bei 16 (Eva) beziehungsweise 7,5 (Spider) Scans pro Sekunde. Das System ist so gut, dass der Scanner bei der Messung um das Objekt geführt oder das Objekt auf dem Drehteller bewegt werden kann.

Artec Studio 11 überzeugt mit logischer Benutzerführung und optischer Unterstützung beim Scannen (Bild: Artec).
Artec Studio 11 überzeugt mit logischer Benutzerführung und optischer Unterstützung beim Scannen (Bild: Artec).

Die Bewegung sollte nicht zu schnell oder ruckartig sein, sonst verliert der Scanner seine Position. Meist findet er diese, wenn man den Scanner dann stillhält wieder, es kann aber auch sein, dass die Geometrie auf dem Bildschirm zum ursprünglichen Scan verschoben abgebildet wird. Auch das macht nichts, da man nach dem Scan die einzelnen Teilscans trennen kann.

Beim Scannen versucht man, die Form des Objekts langsam nachzufahren, eine Anzeige des Messabstands auf dem Bildschirm hilft dabei, den Scanner in der richtigen Entfernung zu haben. Die aktuell gescannten Bereiche werden grün umrandet, so dass man jederzeit sieht, welche Teile des Objekts schon gescannt sind.

Es ist wirklich ein tolles Erlebnis, an dem Dinoschädel entlang zu scannen und die Geometrie auf dem Bildschirm erscheinen zu sehen. Allerdings setzt man nach einer Weile den Scanner gerne ab, das saubere und möglichst wackelfreie Bewegen des 850 Gramm schweren Scanners strengt mit der Zeit an.

Ich führte mehrere Scans durch, um beispielsweise Unter- und Oberseite des Schädels zu erfassen. Artec Studio hat eine Align-Funktion, in der man zwei Scans aufruft und einige identische Punkte an den beiden Geometrien identifiziert. Die Software überlagert dann die beiden Scans. So sammelt man mit der Zeit die gesamte Geometrie, wobei man, wenn man feststellt, dass an einer Stelle noch ein Loch besteht, jederzeit nachscannen kann. Verschiedene Filter entfernen den Boden, auf dem das Objekt beim Scannen stand, oder auch andere Artefakte aus dem Modell. Artec Studio 11 bietet eine ganze Reihe von Filtern, mit denen sich die gescannte Form weiter glätten und optimieren lässt.

Die Genauigkeit des Artec Space Spider ist verblüffend – ich habe auf Messen schon gesehen, wie Münzen gescannt wurden, wobei die Prägung absolut genau erfasst wurde. Auch an meinem Dinoschädel war jede Vertiefung und jede Naht des lasergesinterten Schädels klar zu erkennen. Auch die Zähne des Tyrannosaurus-Schädels wurden sehr detailliert wiedergegeben, allerdings waren diese auch relativ schwierig zu scannen.

3D-Scannen – mit der Artec-Lösung komplex, aber auch komfortabel

Grundsätzlich gilt, dass der 3D-Scanner nur Bereiche erfasst, die er direkt „sieht“ und deren Flächen möglichst senkrecht zum Strahlengang liegen. Der durchbrochene Schädel hatte am Ende noch einige Innenbereiche, die der Scanner nicht erfasst hatte. Das etwas raue 3D-Druckmodell ist in Bezug auf die Oberfläche ziemlich optimal für die Erfassung, wie Frau Bongartz sagte. Je stärker die Oberfläche spiegelt und je mehr Licht sie schluckt, desto mehr Probleme hat der Scanner bei der Erfassung.

In knapp drei Stunden lässt sich eine hochkomplexe Software wie Artec Studio genau so wenig wirklich erfassen wie der Umgang mit dem Scanner lernen – das war mir vorher klar. Ich habe allerdings einige interessante Erkenntnisse gewonnen:

  • Links im Bild Artec Eva, rechts der Space Spider, denj ich testen durfte.
    Links im Bild Artec Eva, rechts der Space Spider, denj ich testen durfte.

    Der oben genannte steinige Weg zum 3D-Modell ist auch mit Profisoftware nicht eben und breit. Software wie Artec Studio 11 erleichtern den Prozess mit eingebauter Intelligenz, so kann das Definieren der zusammengehörenden Punkte bei „Align“ relativ grob erfolgen, die Software passt die letzten Millimeter selbst an. Auch die Funktion zum Abschneiden des Bodens durch das Definieren einer Schnittebene fand ich sehr effizient.

  • Komplette, geschlossene Modelle, wie sie zum 3D-Druck benötigt werden, erfordern sehr oft Nacharbeit in einer Software wie Rhino oder Meshmixer. Hier müssen Löcher geschlossen und Flächen nachgearbeitet werden. Auch der Aufwand, die verschiedenen Scans zusammenzusetzen, ist nicht zu unterschätzen. „Mal schnell scannen und drucken“ ist nach wie vor eine Illusion.
  • Die Genauigkeit des Space Spider ist beeindruckend. Scannt man eine Hand, erfasst das Gerät Feinheiten von den Handlinien bis fast zu den Fingerabdrücken. Das ist wirklich beeindruckend.
  • Am Ende des Prozesses hat man allerdings immer noch „nur“ ein Modell im STL-, OBJ- oder einem ähnlichen Format – jedenfalls keine Regelgeometrie, die man im CAD-System bearbeiten könnte. Hier ist Reverse Engineering-Software wie die aus der Geomagic-Reihe notwendig, um beispielsweise ein IGES-Modell zu erstellen – allerdings wiederum mit nicht unerheblichem manuellem Aufwand.

Viel Arbeit für „nur ein dummes 3D-Modell“ also, oder? in vielen reicht das aus, beispielsweise wenn es darum geht, ein gegossenes Getriebegehäuse mit dem CAD-Modell zu vergleichen oder unersetzliche Kunstwerke zu dokumentieren. Technische Teile sind oft schneller nachmodelliert als gescannt und nachbearbeitet. Nichtsdestotrotz – hat man keine technische Zeichnung, geht es um Freiformflächen und um höchste Detailgenauigkeit und Präzision, dürften die Artec-Scanner mit das Beste sein, was man augenblicklich als Handscanner bekommen kann. Und auch Artec Studio 11 schaut gut aus, ich habe mir kürzlich eine Kinect gekauft und werde Studio demnächst testen – allerdings mit einer Genauigkeit im Zentimeterbereich.

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