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Kommentar: Neue Modelle müssen her

In den letzten Tagen entspann sich hier eine interessante Diskussion über die Zukunft der Fachzeitschriften, die sich am langsamen Verschwinden der letzten Fachzeitschriften im CAD/CAM/PLM-Sektor entzündete. Ich muss nun doch auch noch Stellung nehmen und einige Fragen aufwerfen.

Journalistische Arbeit ist nicht kostenlos zu haben. Doch wer soll bezahlen?
Journalistische Arbeit ist nicht kostenlos zu haben. Doch wer soll bezahlen?

Das bisherige typische Geschäftsmodell der Fachzeitschriften ist die Finanzierung läuft über Anzeigen. Die Leser erhalten die Zeitschrift unregelmäßig kostenlos und können, wenn sie die Zeitschrift regelmäßig erhalten möchten, ein Abonnement abschließen. Das Aboangebot wird allerdings traditionell eher schlecht angenommen, bei einer Auflage von 20.000 Exemplaren gehen typischerweise wenige hundert Exemplare an Abonnenten. Das erinnert fatal an das typische Geschäftsmodell im Internet, das – ich gebe es zu – auch ich auf EngineeringSpot.de verfolge: Finanzierung über Banner, kostenloser Zugang für den Leser.

Dabei ist diese kostenlose Informationsbereitstellung in beiden Modellen quasi unverzichtbar – schließlich ist es ein Argument gegenüber den Anzeigenkunden, das die Zeitschriftenauflage komplett an die richtige Zielgruppe geht. Beim Blog sind es die Page Impressions, die eine Website interessant für Werbung macht.

Die Anzeigenverantwortlichen in den Unternehmen stecken dabei ebenfalls in einer Zwickmühle – sollen sie die relativ teuren Printanzeigen schalten, deren Erfolg nicht messbar ist, oder relativ preiswerte Banner, deren View- und Klickzahlen sich genau erfassen lassen? Und die im optimalen Fall direkt Adressen bringen, die wiederum für den Vertrieb wichtig sind?

Hier kann ich gleich mal zwei Gegenargumente anbringen, das erste ist ein technisches: Heute sind derart viele Bots und Spiderprogramme von Suchmaschinen, die Webseiten aufrufen, im Netz unterwegs dass die gemessenen Page Impressions extrem unzuverlässig sind. Auf EngineeringSpot (und das sind durchaus typische Zahlen) filtert mein Statistiktool über zwei Drittel der Page Impressions heraus, weil die Besucher, die diese verursachen, als „nichtmenschlich“ eingeteilt werden. Zur Verdeutlichung: Zu den 14.000 Page Impressions, die ich hier messe, kommen locker noch einmal 20.000 Impressions hinzu, die aussortiert werden. Wie genau ist denn dieses Aussortieren? Ich habe definitiv Tage, an denen sehr seltsame Massenzugriffe erfolgen, die als „menschlich“ eingestuft werden. Zudem ist es eine Sache meiner persönlichen Fairness, dass ich meinen Kunden die korrigierten Daten nenne, ich könnte genauso gut behaupten, dass ich 40.000 Zugriffe pro Monat habe – was meinen Marktwert massiv steigern würde.

Onlinewerbung ist nicht besser als Printwerbung

Auch bei Spiegel Online sind immer mehr Artikel kostenpflichtig.
Auch bei Spiegel Online sind immer mehr Artikel kostenpflichtig.

Das zweite Argument ist die Qualität der über Onlinewerbung gewonnenen Kontaktdaten. Viele unterhalten genau für solche Gelegenheiten eine „Müll-Mailadresse“, die sie nie abrufen und auf die all die schönen Newsletter gelangen, die man oft „mitabonniert“, wenn man seine Mailadresse hinterlässt, um an eine Information zu gelangen.

Damit will ich nicht sagen, dass Onlinewerbung nicht funktioniert – ich bekomme durchaus sehr positive Rückmeldungen über die Qualität der Kontakte, die über Banner auf EngineeringSpot zustande kommen. Aber es ist eben nicht so, dass Print unmessbar und Online völlig transparent ist. Wie so oft im Leben kommt es auf einen intelligent zusammengestellten Mix an.

Nun zum Thema Fachzeitschrift – wer braucht sie noch? Nach vier Jahren Erfahrung mit den Bloggen sage ich nach wie vor mit großer Überzeugung „Ja“.  Zum einen gelten auch hier die üblichen Argumente, die für papiergebundene Medien sprechen – einfaches Handling, überall mitzunehmen, einfache Archivierung etc. – zum anderen hat das Medium Blog – wie auch die Fachzeitschrift – ihre Einschränkungen und Vorteile.

Lange Artikel funktionieren online eher nicht, zudem ist eine unscharfe Thematisierung der Verbreitung abträglich – Suchmaschinen haben beispielsweise mit meinem Lieblingsformat Anwenderbericht ein Problem – geht es nun um die Anwenderfirma oder die Entwicklungsumgebung oder um deren Hersteller? Das ergibt automatisch ein schlechteres Ranking und wenn man dazu nimmt, dass ein ganz überwiegender Teil der EngineeringSpot-Leser über Suchmaschinen auf die Seite kommt, ist das ein Nachteil.

Dafür ist es in Zeiten, in denen Hersteller mit ihren Kunden und Interessenten direkt kommunizieren, schlicht überflüssig, in der Fachzeitschrift trocken und ohne Wertung die neuesten Produkte vorzustellen. Dass Firma XX eine neue Version ihres Produkts YY auf den Markt geworfen hat, weiß der Leser längst, wenn die Fachzeitschrift auf den Markt kommt. Doch wo sind die Verteile der neuen Funktion in der Praxis, was bedeuten die Neuerungen für den Nutzer oder Anwender, sind die Neuerungen so einzigartig wie der Anbieter dies in seiner Pressemitteilung behauptet oder schließt er lediglich technisch zum Wettbewerb auf?

Der Fokus der Fachzeitschrift sollte sich eigentlich deutlich verschieben – weg von der unkritischen Wiedergabe der Informationen, die die Anzeigenkunden verbreitet haben möchten, hin zu Meinungsstärke – und das beinhaltet den Mut, auch mal unbequem zu schreiben – Einordnen, Sortieren  und Beurteilen.

Gute Artikel brauchen Zeit

Doch das ist nicht die Schuld der Redakteure – die machen oft eine oder sogar mehrere alleine und „dürfen“ oft noch den Onlineauftritt nebenher bespielen. Der typische Fachzeitschriftenredakteur ist zwischen Redaktionsschlüssen und dem Besuch der immer mehr wuchernden Veranstaltungen der Anbieter derart aufgerieben, dass er gar nicht mehr dazu kommt, sich mehrere Tage oder gar eine Woche detailliert mit einem Thema oder einer Technologie zu beschäftigen. Alle Redakteure, die ich kenne, sind guten Willens, finden aber die Zeit nicht.

...oder macht ein Abomodell wie hier bei Segelreporter.com Sinn?
…oder macht ein Abomodell wie hier bei Segelreporter.com Sinn?

Dazu kommt, dass kritische Berichterstattung oft gar nicht gewünscht wird. Manche Anbieter hätten es am liebsten, wenn alle Pressemitteilung im Original – inklusive der dort üblichen Selbstbeweihräucherung – veröffentlicht würden. Schreibt man etwas Kritisches oder gar Negatives, hat man Stunden nach der Veröffentlichung die ersten Anrufe – die manchmal auch den Hinweis beinhalten, man könne ja auch woanders werben. Der Redakteur lebt also ständig in der Spannung, Themen nicht so tief behandeln zu können, wie er es möchte, und der Angst vor dem Verlust eines Anzeigenkunden. Denn von dessen Zahlungen hängt sehr direkt das Überleben seiner Zeitschrift und damit auch sein Arbeitsplatz ab.

Unter diesen widrigen Umständen machen die meisten meiner Kollegen einen tollen Job, trotzdem ist das bisherige Modell meiner Meinung nach an ein Ende gekommen. Doch was wäre eine Alternative, die so viel Einkommen generiert, dass davon eine ausreichend große Redaktion unterhalten und die anderen Kosten gedeckt werden können?

Das ist ein Problem, das weit über die Fachzeitschriften hinausreicht und alle Medien betrifft. Sind Paywalls die Zukunft, wie sie unter anderem Spiegel Online mit seinem Plus-Angebot eingeführt hat? Pro Artikel wie bei Spiegel Online oder wäre ein Jahresabo für ein Nischenthema besser, wie es beispielsweise Segelreporter.com hält? Diese reduzieren aber automatisch den Traffic, weil viele Leser eben nicht bereit sind, zu bezahlen, was wiederum die Website weniger attraktiv für Anzeigenschaltungen macht – siehe oben. Dabei reichen die Anzeigenumsätze auch jetzt schon bei kaum einer Website zum Decken der Kosten aus.

Es wird wohl auf ein Mischmodell hinauslaufen – Teils Anzeigenfinanzierung, teils Abos – online und/oder Print. Ich bin gespannt, wo es hingeht. Eines ist für mich jedenfalls sicher: Die Dienstleistung, die Fachzeitschriftenredakteure erbringen, wird auch in Zukunft  wichtig bleiben. Es muss jedoch ein Umfeld geschaffen werden, in den sie ihre Arbeit tun können.

Ich rufe Sie, liebe Leser zum Diskutieren auf. Wären Sie bereit, für EngineeringSpot-Beiträge zu bezahlen? Möchten Sie weiterhin gedruckte Fachzeitschriften oder wandert dieses Thema komplett ins Internet ab? Was sind Ihnen neutrale Informationen – im Gegensatz zu den Angeboten der Hersteller – wert? Ich freue mich auf Ihre Reaktionen. Bitte nutzen Sie die Kommentarfunktion des Blogs, statt unter dem Facebook-Eintrag zu kommentieren, damit wir alle Wortmeldungen an einer Stelle haben.

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3 Kommentare

  1. Dieter Kaistra

    Ja, ich würde für einen guten Artikel bezahlen. Voraussetzung wäre aber, dass der Inhalt fachlich fundiert und ehrlich ist. Darüber hinaus muss der Preis pro Artikel niederschwellig sein und das Abrechnungsverfahren muss mühelos funktionieren. Da gibt es ja durchaus Vorbilder.

  2. Stefan Kühner

    Niederschwelliger Preis:
    Dies ist in der Tat ein interessanter Aspekt. Mit 50 Cent pro 3000 Zeichen wird kein Autor oder Forumsbetreiben leben können – vor allem nicht bei Themen wie PLM. Ich gebe diese Frage weiter in die Unternehmen hinein: Richten Unternehmen solche Konten ein, die von Beschäftigten genutzt werden dürfen ohne erst drei Anträge zu stellen? Schließlich ist dies Weiterbildung und früher im letzten Jahrhundert haben Unternehmen schließlich die Fachzeitschriften abonniert mit Blick auf gute Informationsvermittlung.

    Qualität der Artikel:
    Na ja das wird sich schnell klären. Wenn ein Autor 2x meine Erwartung nicht erfüllt hat, lade ich seine Beiträge eben nicht mehr runter.

    Einfaches Bezahlmodell:
    Das sehe ich genauso. Mein Favorit ist ein Konto auf das ich einen bestimmten Betrag einzahlen kann und von dem ich dann spontan einen Artikel bezahlen kann.

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