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Kommentar: Baumsterben im PLM-Blätterwald

Der PLM-Blätterwald lichtet sich. Gründe dafür gibt es viele: Die seit Jahren schrumpfende Zahl der PLM-Anbieter, mehr noch ihre schrumpfenden Anzeigenbudgets und ihre Präferenzen für das Online-Marketing, für das es in Deutschland eigentlich gar keine Plattformen gibt. Aber natürlich auch die viel zu zahmen Redaktionen, die immer nur das schreiben, was ihre Anzeigenkunden hören wollen und damit die Leser langweilen. Eine paradoxe Situation, denn spannende Themen rund um PLM gibt es dank der Herausforderung der digitalen Transformation und des Internet of Things mehr denn je.

Es wird immer kahler im Wald der PLM-Zeitschriften (Bild: Joachim Wendenburg).
Es wird immer kahler im Wald der PLM- (Bild: Joachim Wendenburg).

Wenn nicht noch ein Wunder passiert, z.B. ein chinesischer Investor in Baden-Baden vom Himmel fällt, stellt die Zeitschrift Economic Engineering zum Jahresende ihr Erscheinen ein. Es ist nach der CAD/CAM, die mit der Integration in die :K ein Begräbnis zweiter Klasse erfuhr, die zweite renommierte PLM-Fachzeitschrift, die binnen weniger Jahre sang- und klaglos vom Markt verschwindet. Und die Zukunft der Zeitschrift PLM IT Report ist nach dem Abgang ihres langjährigen Chefredakteurs Stefan Graf auch in Frage gestellt. Es soll aber unter neuem Namen weitergehen.

Vielleicht brauchen wir ja keine PLM-Fachzeitschriften mehr? Und schon gar keine gedruckten? Ich meine, wir brauchen sie mehr denn je. So wie die cyberphysischen Produkte, die mit PLM-Unterstützung entwickelt werden, werden auch die Themen rund um PLM komplexer. Ein Blog oder Portal kann sicher besser als eine Fachzeitschrift, die nur alle zwei Monate erscheint, über Themen der Aktualität informieren – z. B. eine Firmenübernahme wie die von Mentor Graphics oder eine neue Produkt-Release. Aber sie bieten nicht genug Wasser unterm Kiel für den technischen Tiefgang, den die komplexen Themen rund um PLM heute erfordern. Wo sollen diese Beiträge künftig veröffentlicht werden, wenn es keine PLM-Fachzeitschriften mehr gibt? In Spiegel, Focus oder Handelsblatt, die lange Zeit die Fixsterne am Firmament mancher PLM-Marketiers waren? Heute sind sie schon froh wenn die Computerwoche ein paar Mal im Jahr über sie schreibt.

Die Branchenmagazine und Konstruktionstitel werden die Lücke der PLM-Fachzeitschriften nicht füllen können – dazu fehlt den meisten das nötige Know-how und auch der Platz, denn sie müssen ja viele Themen spielen. Wir werden also in den nächsten Jahren eine Vervielfältigung der Kundenmagazine erleben, in denen die PLM-Hersteller ihre Produkte und Lösungen und vielleicht auch noch die ihrer Partner präsentieren. Ob die mehr gelesen werden als die Fachzeitschriften sei einmal dahin gestellt. Sicher ist aber, dass sie die PLM-Hersteller in der Summe mehr Geld kosten werden, als die paar Anzeigen im Jahr, die sie zuletzt noch geschaltet haben.

Etwas Ähnliches haben wir übrigens schon nach dem Sterben der PLM-Fachmessen gesehen: Bei der Vielzahl der Kundentagen, Konferenzen, Workshops und ähnlichen Events wussten wir Redakteure manchmal gar nicht mehr, wohin. Ich behaupte mal, ohne es genau zu wissen, dass die meisten PLM-Hersteller heute mehr Geld in das Event-Marketing stecken als früher in ihre Messeauftritte.

Doch zurück zum Thema: Ich glaube, wir brauchen die PLM-Fachzeitschriften noch, aber wir brauchen vielleicht eine andere Art von Fachzeitschriften. Zeitschriften mit mehr Selbstbewusstsein und Gespür für die Interessen ihrer Leser, die nicht nur das schreiben, was ihre Anzeigenkunden gerne veröffentlichen würden. Denn eines ist mir in den langen Jahren meiner Tätigkeit als Fachredakteur klar geworden: Das, was das Gros der Anwender gerade beschäftigt, hat oft herzlich wenig mit den neuen Säuen wie Industrie 4.0 oder IoT zu tun, die wir brav durchs Dorf treiben. Da draußen gibt es sehr erfolgreiche Unternehmen, die erst vor ein, zwei Jahren ein Produktdatenmanagement eingeführt haben und noch mit den klassischen Anfangsproblemen ringen.

Ich sage nicht, dass wir nicht über die Zukunftsthemen schreiben sollen. Zweifellos wird das IoT dramatische Auswirkungen auf die Art haben, wie wir unsere Produkte künftig entwickeln, fertigen und vertreiben oder besser betreiben, denn vielleicht verkaufen wir sie nur noch als Teil einer Dienstleistung. Und das sollte auch ein Mittelständler bei seiner PLM-Strategie berücksichtigen. Aber wir müssen weniger über die großen Visionen schreiben, und mehr über die kleinen Schritte, die dahin führen.

In diesem Sinne wünsche ich den Fachzeitschriften ein Einsehen – aber auch den Marketingabteilungen der Anbieter, die diesen Weg mitgehen müssen. Wer mir sagt, wie es der Manager eines großen, amerikanischen PLM-Herstellers neulich in Stuttgart tat, dass seine Firma grundsätzlich keine Anzeigen schaltet, wird bald keine seriösen und neutralen Medien mehr finden, in denen er für seine Vision einer total vernetzten Welt werben kann. Aber vielleicht ist das ja auch ganz gut so.

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10 Kommentare

  1. Stefan Kühner

    Lieber Herr Wendenburg,
    lieber Herr Steck,

    Ihren Kommentar zum Sterben von PLM-Fachzeitschriften und Ihren Appell für „Wasser unterm Kiel für den technischen Tiefgang, den die komplexen Themen rund um PLM erfordern“ gefällt mir und fordert gleichzeitig meinen Widerspruch heraus.

    Was Sie schreiben ist richtig. Ich meine nicht gut, sondern korrekt beschrieben. Ich bedauere den Wegfall weiterer PLM-Fachpublikationen ebenfalls.

    Allerdings ist das Verschwinden von Zeitschriften über spezielle Themen in der IT nicht Neues. Sie selbst, lieber Herr Wendenburg, waren einmal beim Dressler Verlag und beim CADCAM Report. Sein Herausgeber hat mir einmal erklärt, dass er die Fachartikel auf den Rückseiten von Anzeigen drucken muss. Das war eine kleine Lehrstunde komprimiert auf einem Satz. Der Wettbewerbertitel CAD/CAM von Herrn Satzger ist ebenfalls vergessen. Beides waren einmal Leuchttürme in der EDM/PDM/PLM-Geschichte. Da gab es eine Handvoll Redakteure, die recherchierten und bewerteten, bevor Artikel publiziert wurden.

    Heute muss ein einziger Redakteur oder Redakteurin (ein Hoch auf die Redakteurinnen bei Vogel Medien) eine oder gar mehrere Fachzeitschriften betreuen. Wer kann da noch Qualität „machen“?

    Es gibt für das Fachzeitschriftsterben nach meiner Meinung mehrere Gründe. Den einen Grund schrumpfende Anzeigenbudgets haben sie ja gleich im ersten Satz Ihres Artikels genannt. Nur ist dies nicht nur der böse Wille der verbliebenen Anbieter im PLM-Markt, sondern ein Konzentrationsprozess im Markt. Sie erinnern sich an Zeiten, in denen in dem von Ihnen redaktionell betreuten Computer Grafik Markt, mehrere Dutzende CAD/CAM/PDM–Firmen zu finden waren, die Anzeigen schalteten. Es ist ein gnadenloser Wettbewerb und Konzentrationsprozess, der in unserem Wirtschaftssystem seine Ursache hat. Dazu gäbe es viel zu diskutieren sowohl betreffs IT-Anbieter als auch Medien.

    Ein weiterer Grund für das Sterben im PLM-Blätterwald ist der Rückgang von Abonnenten. Wer kauft heute schon noch solche Zeitschriften im Abo, vor allem, wenn da eh nur noch die Pressemitteilungen und Verlautbarungen der Marketing-Abteilungen drinstehen. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Die Redaktionen haben keine Leute mehr und drucken nur noch abhängig vom Anzeigenbudget Texte ab.

    Ob wir, lieber Herr Wendenburg Fachzeitschriften in der Form, wie wir beide sie im letzten Jahrhundert hochhielten, wirklich noch brauchen, ist fraglich. Der erste Punkt, der mich ins Grübeln bringt, sind die Menschen im Maschinenbau, die mir erklären: „Herr Kühner, ich hab doch keine Zeit am Schreibtisch Fachartikel von drei Seiten zu lesen“. Außerdem – die Leute, die heute über Marketingbudgets beschließen, lesen selbst nicht mehr. Sie gucken lieber Bilder. Sie gehören einer anderen Generation an.

    Die Zusammenarbeit mit Verlagen läuft inzwischen über andere Formate. Wir machen Webinare und transportieren damit häppchenweise PLM-Wissen. Das wirdvon den Menschen in den Betrieben gut angenommen. Für die Plattform der Verlage zahlen wir auch gutes Geld.

    Nun zum wichtigsten Thema: Wo bleibt der Tiefgang? Wer berichtet über die Auswirkungen einer Firmenübernahme wie die von Mentor Graphics oder über einen Microsoft-Kongress, der IoT und Industrie 4.0 ähnlich einer Heilsbotschaft in die Welt setzt? Welcher Redakteur (hier schreibe ich bewusst nicht Redaktion) erlaubt sich kritische Worte über den letzten verbleibenden Anzeigenkunden seines Verlags?

    Nein es sind nicht nur die Marketingleiter, die das Verschwinden von Fachzeitschriften verursachen, sondern ein ganzes Bündel von Gründen. Hierrüber lohnt es sich zu diskutieren. Nur: Wer traut sich denn, auf Blogs oder in Foren seine echte Meinung auszusprechen. Der Wettbewerber könnte das ja gegen das Unternehmen, in dem man arbeitet, ausnutzen.

  2. Frank Zscheile

    Wenn Hersteller grundsätzlich keine Anzeigen schalten, spricht dies sicher für ein falsches Verständnis der Abhängigkeiten zwischen ihnen und den Medien als Vermittlern zum Endanwender. Allerdings sind auch die Verlage gefordert, ihre Werbemöglichkeiten auszubauen in Richtung online. Denn es gibt durchaus Budget bei den Unternehmen, viele haben allein das Gefühl, mit Online-Schaltungen, damit verbundener Leadgenerierung etc. ihre Ziele besser und auch messbarer zu erreichen als im Print. Der Fall Berliner Verlag/Dumont ist erst das jüngste Beispiel, wohin es führen kann, wenn ein Medienunternehmen den Gang ins Internet verschläft. Wobei ich hier ausdrücklich keine Parallele zur Economic Engineering gezogen haben will.

  3. Roland Drewinski

    Vorschlag, das Thema in zwei zu teilen: Formate einerseits und Content andererseits.

    Zu den Formaten: Egal in welchem Land und egal in welchem Bereich: Print ist auf dem Rückzug. Wir könnten das nun auch bzgl. unseres Themas „PLM“ betrauern. Aber was hilft es?

    Zum Content: Gerade weil Informationen und solche, die so tun, zu allem und jedem oft nur noch ein paar Klicks entfernt sind, können Geschäftsmodelle nur dann erfolgreich sein, wenn der Content etwas besonderes ist und wirklich die Interessen der Leser anspricht. In unserem Bereich, aber auch fast überall sonst hat sich leider ein Teufelskreis entwickelt, bei dem es nur um schnelle Kicks und zufriedene Inserenten ging, aber nicht mehr um nachhaltige Konzepte der Leserbindung.

    Der sinkende Stern der Printmedien an von payed Content bedeutet nicht, das das Bedürfnis der Anbieter, in Werbung zu investieren und das der Community, gut informiert zu werden, wegfällt. Aber mit bloßen Anpassungen der bisherigen Modelle ist es wohl nicht getan.

  4. Michael Wendenburg

    Ich bin nicht so sicher, ob Print generell auf dem Rückzug ist. Am Kiosk sehe ich ständig neue Zeitschriften zu den wildesten Themen. Mit halbgaren Steaks auf der Titelseite und auch sonst vielen schönen, bunten Bildern. Da hat Herr Kühner schon recht, die Leute – und nicht nur die im Marketing – lesen nicht mehr, sondern gucken lieber Bilder. Vielleicht ist das das Hauptproblem von PLM: Außer langweiligen Screenshots gibt es da wenig zu gucken.

    Ich bin auch nicht so sicher, ob es eine wirklich Frage des Formats ist. Es ist ja nicht so, dass Verlage mit Online-Auftritten und -Medien das große Geld verdienen würden. Und es ist leider auch keine Frage des Leser-Interesses. Selbst Leute, die sich durchaus für das Weltgeschehen interessieren, kaufen heute oft keine Tageszeitung mehr. Haben sie stattdessen ein Online-Abo? Mitnichten, weil es im Internet ausreichend Informationen kostenlos zu lesen gibt, wenn auch sicher nicht mit dem Tiefgang, mit dem Der Spiegel oder Die Zeit bestimmte Themen analysieren.

    Deshalb ist es sicher nicht damit getan, die bisherigen Modelle anzupassen. Wir brauchen ein neues Geschäftsmodell, um die Bedürfnisse PLM-Anbieter, die für ihre Produkte werben wollen, und die der Community, die besser informiert sein will, wieder näher zusammenzubringen. Aber wie soll das aussehen? Ich habe noch keine Lösung gefunden, aber ich hoffe, dass uns diese Diskussion einen Schritt weiter bringt.

  5. Steffi Michel

    Ich oute mich hier als fest angestellte Redakteurin, die sich das aus einer „sicheren Position“ betrachten könnte. Trotzdem mache ich mir ernsthaft Gedanken darüber, wie es mit dem Thema CAD/PLM weitergeht. Wir bei uns im Haus (Vogel – Danke an Herrn Kühner!) setzen ja stark auf online und ich denke auch wie mein „Vorredner“, dass die Berichterstattung eigentlich keine Frage des Formats ist.

    Für uns ist der Onlinemarkt eine starke Säule beim Umsatz (über 30 % – abh. von der Zeitschrift/vom Objekt), aber auch hier sind die CAD/PLM-Anbieter was den Marketingaufwand betrifft in der Unterzahl. Da frage ich mich letztendlich: Was machen wir falsch? Was will der Anwender? Und was wollen die Anbieter? Fragen über Fragen, aber vielleicht klärt uns hier jemand auf…? Es ist ja nicht so, dass die verfassten Beiträge nicht gelesen werden…

    Ich habe aber auch versöhnliche Worte: Das Thema hat glücklicherweise nie an Relevanz verloren und wird im Hinblick auf Industrie 4.0, Digitaler Zwilling und Digitale Fabrik wahrscheinlich noch wichtiger. Und ich finde es schön, dass es überhaupt mal zu einer Diskussion kommt!

  6. Stefan Kühner

    „Die Branchenmagazine und Konstruktionstitel werden die Lücke der PLM-Fachzeitschriften nicht füllen können – dazu fehlen den meisten das nötige Know-how und auch der Platz, denn sie müssen ja viele Themen spielen.“ steht im ersten Beitrag dieses Threads.

    Ich stelle diese These in Frage. Wenn allerdings die Magazine, die bislang im Markt sind, weiterarbeiten wie bislang wird das Sterben wohl weitergehen. Die Magazine müssen sich umorientieren, weil sich die Welt in der Industrie im Wandel befindet.

    Entwicklungsprozesse von komplexen mechatronischen Systemen brauchen einen intensiven Informations- und Gedanken-Austausch der Gewerke. Mit PLM kann dies unterstützt werden. Ähnliches gilt für die Konstruktion für Bauteile, die mit additiven Methoden gefertigt werden. Notwendig sind neue Konstruktionsmethoden. Hier haben Anbieter von Software, Fachverbände und natürlich auch Fachverlage und Redakteure Hilfe zu leisten.

    Ob es noch ausreicht in einem Verlag einen Titel für Mechanikkonstruktion, einen für Elektrokonstruktion und einen der Themen zusammenfasst herauszugeben, bezweifele ich.
    Vielleicht ist es ja besser, nur noch einen Titel herauszugeben, der die Themen wieder zusammenführt. Nicht einfach nebeneinanderstellt, sondern in Verbindung bringt! Das heißt ausgestattet mit einer guten Fachredaktion, in der nicht wieder nur Sparten-Redakteure und –Redakteurinnen arbeiten.

    Die Redakteure/Redakteurinnen, die ich persönlich kenne, können dies – da bin ich mir sicher. An Know-how und ‚Lust‘ fehlt es nicht. Das zeigt auch der Schlusssatz im Beitrag von Frau Michel.

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